Instrumente

Hildebrandt-Orgel in der Kirche St. Wenzel Naumburg

Die Hildebrandt-Orgel in der Kirche St. Wenzel in Naumburg

Orgelbauer

Zacharias Hildebrandt

Geschichte der Orgel

(Die unterstrichenen Begriffe finden sich im Orgelglossar.)

Die Hildebrandt-Orgel in der Wenzelskirche zu Naumburg gilt als eine der bedeutendsten Barockorgeln Deutschlands und erklingt regelmäßig in Gottesdiensten und Konzerten. Sie und ihre Vorgängerinstrumente lassen auf eine jahrhundertelange Tradition des Orgelbaus und der Orgelmusik zurückblicken.

Die erste Orgel wurde bereits im Jahre 1540 erwähnt, wobei nicht bekannt ist, wie groß dieses Instrument war und wo es in der Kirche Aufstellung gefunden hatte. Das darauffolgende Instrument wurde von dem Orgelbauer Joachim Zschugk geschaffen. Es fand seinen Platz an der Chornordseite und besaß stolze 38 Register auf 2 Manualen und Pedal. Noch in der Bauphase der Zschugk-Orgel im Jahre 1614 kam es zu einem besonderen musikalischen Ereignis. Auf dem Baugerüst der Orgel musizierte die Dresdner Hofkapelle unter der Leitung von Michael Praetorius. Erwähnenswert ist außerdem, dass das Instrument bis 1630 umgestimmt und anschließend von dem Organisten und Komponisten Samuel Scheidt aus Halle (Saale) abgenommen wurde.

Von 1695 bis 1705 baute der Orgelbauer Zacharias Thayßner das vorhandene Orgelwerk um. Er erweiterte das Instrument auf 45 Register und 3 Manuale und verlegte den Standort der Orgel an die Westwand.

Ab 1734 lag die Betreuung der Thayßner-Orgel in den Händen des Orgelbauers Zacharias Hildebrandt. Sein erster Eindruck von diesem Instrument war nicht positiv. Er beschrieb es als ein „schwindsüchtiges Werk“, das „gar keine Gravitaet“ hätte (vgl. Friedrich/Froesch 2014, S. 94). Im Jahre 1743 holte sich die Gemeinde ein Gutachten von den Orgelbauern Tobias Heinrich Gottfried Trost und Christian Ernst Friderici ein. Beide empfahlen der Gemeinde einen Neubau, der sodann auch ausgeschrieben wurde. Den Auftrag erhielt Zacharias Hildebrandt, der einen Orgelneubau mit 53 Registern auf drei Manualen und Pedal und damit seine größte Orgel schuf. Im Jahre 1746 erfolgte die Abnahme der fertiggestellten Orgel durch Johann Sebastian Bach und Gottfried Silbermann. Beide attestierten Hildebrandt, „daß überhaupt alles und jedes mit gehörigem Fleiße verfertigt“ sei (vgl. ebd., S. 95; das gesamte Abnahmegutachten s. u.). Der Prospekt wurde von der Thayßner-Orgel übernommen.

Die Wenzelskirche in Naumburg

 

Die Orgel wurde im 19. Jahrhundert teilweise verändert und umgebaut. Ein größerer Umbau erfolgte im Jahr 1932 durch die Orgelbaufirma Walcker. 1992 fand ein Internationales Symposium zur Geschichte, Bedeutung und Zukunft der Hildebrandt-Orgel statt. Im Ergebnis wurde empfohlen, das Instrument vollständig zu restaurieren. Von 1993 bis 2000 übernahm die Orgelbaufirma Eule die Restaurierung der Orgel und stellte den Zustand von 1746 wieder her.

Das Besondere an der Orgel von Zacharias Hildebrandt ist die enge Verbindung zu Johann Sebastian Bach. Dieser stellte nicht nur das Gutachten gemeinsam mit Gottfried Silbermann aus, sondern er schätzte Hildebrandt sehr und hielt ihn für einen der besten Orgelbauer seiner Zeit. Es ist davon auszugehen, dass Bach Einfluss auf die Disposition genommen hat und auch klangliche Vorstellungen im Vorfeld mit einbrachte. Man kann deshalb von einer Bach-Orgel sprechen, welche die authentische Wiedergabe seiner Orgelwerke ermöglicht.

Technische Ausstattung

Die Orgel besitzt 53 Register, die auf 3 Manuale (Rückpositiv, Hauptwerk und Oberwerk) und Pedal verteilt sind. Die Disposition der Orgel kann hier abgerufen werden. Sowohl die Tontraktur als auch die Registertraktur arbeiten mechanisch. Der Tonumfang reicht in den Manualen von C, D bis c‘‘‘ und im Pedal von C, D bis d‘. Das Instrument ist gleichschwebend nach Neidhardt gestimmt. So ist das Spielen in allen Tonarten uneingeschränkt möglich.

Laut dem Abnahmegutachten baute Zacharias Hildebrandt einen Balg und das Register „Unda Maris“ zusätzlich in die Orgel ein. Diese sind nicht im ursprünglichen Vertrag vorgesehen gewesen.

Das Instrument von Zacharias Hildebrandt „wies damals, 1746, bereits einen äußerst modernen, klanglich vielseitigen Ansatz auf. Einflüsse aus thüringisch-sächsischen Gefilden finden sich genauso wie norddeutsche. Das Plenum klingt volltönend, gravitätisch und – in dieser Zeit eine Besonderheit – ohne windstößige Intonationsschwankungen. Demgegenüber bestechen manch sensible Stimmen durch ihre feine und edle Zurückhaltung“ (Friedrich/Froesch 2014, S. 97).

Klangbeispiele

Demonstration der Hildebrandt-Orgel mit Ton Koopman

Johann Sebastian Bach (1685–1750), Schmücke dich, o liebe Seele, BWV 654 (Ton Koopman)

Arnold Matthias Brunckhorst (1670/75–1725), Präludium und Fuge E-Dur (Ullrich Böhme)

CDs:

David Franke – Komm, Heiliger Geist (David Franke spielt Orgelimprovisationen durchs Kirchenjahr)

Johann Sebastian Bach: Orgelwerke (Jean-Claude Zehnder spielt Werke von Bach in Naumburg)

Literatur

Felix Friedrich, Vitus Froesch, Orgeln in Sachsen-Anhalt – Ein Reiseführer, Altenburg 2014.

Christoph Wolff, Markus Zepf, Die Orgeln J. S. Bachs, Leipzig, Stuttgart 2008.

Links

Hildebrandt-Orgel, St. Wenzel Naumburg (Homepage Orgelbüro St. Wenzel)

Hildebrandt-Orgel, St Wenzel Naumburg (Homepage Eule-Orgelbau)

Ghost music – composing the future (Interkontinentales Konzertprojekt)

Video (Link)

Die Orgel – ungewohnte Einblicke in das Instrument des Jahres 2021
Das anschauliche Video von KMD Martina Pohl und Ulrike Großhennig bietet Schüler*innen die Möglichkeit, am Beispiel der Hildebrandt-Orgel in Sangerhausen in das Innere einer Orgel zu schauen, die Funktionsweise kennenzulernen, Fragen zu stellen und sich Detailwissen anzueignen. Das Video ist für schulische Zwecke genauso geeignet wie für Interessierte an diesem einzigartigen Instrument.

Materialien zum Download

Powerpoint-Präsentation:

Von der Taste zum Ton (Eine kleine Führung durch die Orgel), Autorin: Friederike Heckmann

Von der Taste zum Ton (PDF-Datei)

Arbeitsblätter:

Blanko-Arbeitsblätter zum Ausfüllen (für Grundschule und ab Sekundarstufe I) für Exkursionen zu regionalen Orgeln im Unterricht (Erstellung von Orgelsteckbriefen) finden Lehrer*innen auf dem Bildungsserver des Landes unter Regionalkultur.

Vincent Kloss 2023

Der Beitrag entstand im Rahmen eines Seminars im Sommersemester 2023 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.