* 1688 in Münsterberg (Schlesien), † 11. Oktober 1757 in Dresden
Zacharias Hildebrandt gilt als einer der bedeutendsten Orgelbauer Mitteldeutschlands im 18. Jahrhundert neben seinem berühmten Lehrer Gottfried Silbermann, in dessen Werkstatt im sächsischen Freiberg Hildebrandt ab 1713 drei Jahre als Geselle arbeitete. Er hinterließ auch auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt einige seiner wichtigsten Orgeln.

Über die ersten 25 Lebensjahre Hildebrandts ist wenig bekannt. Selbst das Geburtsjahr muss „errechnet“ werden, da man lediglich durch einen Eintrag in den Totenbüchern der Dreikönigskirche Dresden weiß, dass er 1757 im Alter von 69 Jahren gestorben ist. Hildebrandt wurde im niederschlesischen Münsterberg als Sohn des Wagners Heinrich Hildebrandt geboren. Es kann angenommen werden, dass er in seiner Heimat das Tischlerhandwerk und damit Fertigkeiten erlernte, die als Voraussetzung für den Beruf des Orgelbauers galten. Es ist jedoch nicht bekannt, wo er seine Orgelbauer-Lehre absolvierte (vgl. Friedrich 2016). Vermutlich wird er sich nach der Lehrzeit auf Wanderschaft begeben haben und so nach Sachsen gekommen sein.
Am 9. Dezember 1713 erschienen jedenfalls Zacharias Hildebrandt und der nur fünf Jahre ältere Gottfried Silbermann „an ordentlicher Gerichtsstelle in Freiberg vor dem Stadtrichter Christian Moritz Engel“ (vgl. Dähnert 1962, S. 17) und legten den Lehrkontrakt vor. Dieser Vertrag enthielt eine Klausel, die in späteren Jahren zu Rechtsstreitigkeiten und einem Zerwürfnis zwischen den beiden führen sollte. Hildebrandt verpflichtete sich darin, weder in Sachsen noch im Elsass, wo Silbermanns Bruder Andreas eine Orgelbauwerkstatt betrieb, jemals selbstständig sein Handwerk auszuüben. So hielten sich die Silbermanns vorsorglich einen etwaigen Konkurrenten vom Hals, was auch ein Zeichen dafür ist, wie hoch der berühmte Orgelbauer schon damals die Fähigkeiten seines Gesellen einschätzte, der vor Vertragsabschluss gerade mal einen Monat Probezeit absolviert hatte. Zudem erließ er ihm das Lehrgeld und zahlte ihm darüber hinaus noch 10 Groschen Lohn wöchentlich (ebd., S. 18).
Es ist anzunehmen, dass Hildebrandt während seiner Zeit bei Silbermann diesen bei seinen eigenen Orgelbauten unterstützte, wie es im Vertrag vorgesehen war. Nach Beendigung der Ausbildung erteilte Silbermann dem Gesellen den Auftrag zum Bau einer zweimanualigen Orgel für die Kirche in Langhennersdorf bei Freiberg als Meisterstück. Dieses Instrument orientierte sich zwangsläufig an den zur gleichen Zeit entstandenen Werken Silbermanns, insbesondere an dessen ebenfalls zweimanualiger Orgel in Groß-Kmehlen. Dennoch zeigen sich bei allen Übereinstimmungen, die bis in die Disposition hineinreichen, schon in Hildebrandts Erstlingswerk eigenständige Züge, beispielsweise „ein als Pedalkoppel dienendes Baßventil” (ebd., S. 22) sowie die Gestaltung des Prospekts, der „lebendiger und gelöster als die oft etwas nüchternen Fassaden“ (ebd. S. 23) der Silbermann-Orgeln wirkt. Solche Neuerungen wurden später teilweise von Silbermann übernommen, was in der Folge zu Fehlzuschreibungen führte, z. B. bei der Orgel in Hilbersdorf (heute Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig), die zunächst Silbermann, dann Hildebrandt und danach wieder Silbermann zugeschrieben wurde.
Auch als fertiger Meister blieb Hildebrandt der Silbermann’schen Werkstatt noch einige Jahre treu. Im Dezember 1718 unterzeichneten beide gleichberechtigt den Kontrakt zum Bau einer zweimanualigen Orgel für St. Georgen in Rötha bei Leipzig. Die Fertigstellung des Orgelneubaus ist aber wohl ohne Hildebrandt erfolgt, der im Abnahmegutachten mit keinem Wort erwähnt wurde. Vermutlich war Hildebrandts Anwesenheit in Langhennersdorf notwendig gewesen. Das Meisterstück wurde 1722 eingeweiht (vgl. ebd., S. 26).
Nachdem Zacharias Hildebrandt im Jahr 1722 das Freiberger Bürgerrecht erhalten hatte, heiratete er noch im selben Jahr in Langhennersdorf Maria Elisabetha Dachselt und wurde dadurch Mitglied einer angesehenen Freiberger Böttcherfamilie. In den Folgejahren war es für den jungen Orgelbaumeister schwierig, die von Silbermann im Lehrkontrakt gestellten Forderungen zu erfüllen, da er sich unter diesen Bedingungen keine Existenzgrundlage aufbauen konnte. Die Streitigkeiten mit Silbermann nahmen zu, als Hildebrandt nach der Reparatur einer Orgel in Freiberg den Auftrag für einen Orgelneubau im nahe Leipzig gelegenen Störmthal erhielt. In einer Art Vergleich („Wechsel-Contract“) verpflichtete er sich, von nun an nur noch Aufträge anzunehmen, die er bei Silbermann „angemeldet“ und die dieser zuvor abgelehnt hatte, und außerdem einen Teil der Einnahmen an Silbermann abzutreten.
Im Zusammenhang mit dem Bau der Störmthaler Orgel lernte Hildebrandt Johann Sebastian Bach kennen, der sich nach der Fertigstellung begeistert über das Instrument äußerte. Bach schrieb anlässlich der Orgelweihe am 2. November 1723 die Kantate Höchst erwünschtes Freudenfest (BWV 194), die er höchstpersönlich mit den Thomanern und seiner Frau Anna Magdalena als Solosopranistin aufführte.
Im Jahr 1724 eskalierte der Streit mit Silbermann anlässlich des Auftrags Hildebrandts für einen Orgelneubau im erzgebirgischen Lengefeld erneut. Hildebrandt hatte ein kostengünstigeres Angebot vorgelegt und dadurch Silbermann aus dem Rennen geworfen. Erst nach einem vom Landesherrn Kurfürst Friedrich August II. anberaumten Termin im Regierungssitz Dresden, zu dem beide erscheinen mussten, wurde der Streit zumindest offiziell beigelegt. In dem Entscheid vom 29. Dezember 1724 wurden die im „Wechsel-Contract“ von 1722 getroffenen Regelungen „in einem für beide Teile nicht ungünstigen Sinne“ (ebd., S. 41) präzisiert und festgeschrieben.

In das Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt kam Zacharias Hildebrand im Zusammenhang mit dem Auftrag für den Neubau einer zweimanualigen Orgel für die Jacobikirche in Sangerhausen, wo er von 1727 bis 1731 lebte und arbeitete. Die Einweihung der Orgel fand am 1. Juni 1728 unter Anwesenheit des Herzogs Christian von Sachsen-Weißenfels statt. In Sangerhausen baute er des Weiteren aus dem Rückpositiv der alten Jacobi-Orgel ein einmanualiges Instrument für das Heilig-Geist Stift (nicht erhalten) und entwarf eine neue Orgel für die Schlosskirche St. Trinitatis, die aus Geldmangel des Herzogs jedoch nicht ausgeführt wurde.
Vermutlich im Frühjahr 1730 wurde Zacharias Hildebrandt zum Fürstlich Sächsisch-Weißenfelsischen Hoforgelmacher ernannt (vgl. ebd., S. 67). Er baute bis 1731 noch einige weitere kleinere Orgeln in Dörfern in der Umgebung, so in Pölsfeld und Sotterhausen. 1733 wurde er mit der Pflege und Stimmung der Merseburger Domorgel betraut. Im Jahr 1734 siedelte er dann nach Leipzig über.
Hildebrandts mit 53 Registern und drei Manualen größte Orgel entstand in der Kirche St. Wenzel in Naumburg. Bereits im Jahr 1734 hatte er einen Wartungsauftrag für die Vorgängerorgel von Zacharias Thayßner erhalten. In diesem Zusammenhang sprach er von einem „schwindsüchtigen Werk“, das „gar keine Gravitaet“ aufweise (vgl. Friedrich/Froesch 2014, S. 94). Im Jahr 1743 begann er mit einem Orgelneubau, der 1746 vollendet wurde und letztendlich zu einer Versöhnung zwischen Hildebrandt und Gottfried Silbermann nach 30 Jahren führte. Die Orgelabnahme erfolgte durch Johann Sebastian Bach und Gottfried Silbermann.

Bach unterstützte und förderte Hildebrandt, „wo er nur konnte“, da dessen Instrumente „seiner eigenen Vorstellung von einer vortrefflichen Orgel“ vollends entsprachen (ebd., S. 93). Vermutlich ging der Auftrag für die Orgel in der Sangerhäuser Jacobikirche auch auf Bach zurück. Außerdem empfahl er Hildebrandt 1735 für den Neubau einer Orgel für die Divi-Blasii-Kirche in Mühlhausen, seine ehemalige Wirkungsstätte. Der Auftrag kam aber letztendlich nicht zustande. Um 1740 entwickelte Hildebrandt, wohl auf Anregung Bachs, ein neuartiges „Lautenclavicymbel“, nachdem er schon seit Längerem auch für die Stimmung des Kielflügels in der Leipziger Thomasschule zuständig war.
Zacharias Hildebrandt baute in Hettstedt (St.-Jacobi-Kirche) eine weitere Orgel auf sachsen-anhaltischem Gebiet, von der nur noch der Prospekt mit einer Orgel von Wilhelm Rühlmann aus dem Jahr 1905 erhalten ist.
Nach der Versöhnung mit Silbermann arbeitete Hildebrandt ab 1750 als Bauleiter an der neuen Silbermann-Orgel für die Dresdner Hofkirche mit und führte nach dessen Tod 1753 die Bautätigkeit zusammen mit seinem Sohn Johann Gottfried und anderen Silbermann-Schülern weiter. An der Fertigstellung der Orgel war er aber nicht mehr beteiligt, da er 1754 den Auftrag für einen Orgel-Neubau in Dresden-Neustadt erhielt. Die Vollendung dieser Orgel in der Dreikönigskirche erlebte er allerdings nicht mehr. Zacharias Hildebrandt starb 1757 in Dresden.
Werke
Zwei Faktoren bestimmen die Werke von Zacharias Hildebrandt in besonderem Maße: die Zeit bei Silbermann und der Einfluss Bachs. „Im Vergleich zu allen anderen Silbermannschülern löste er sich am deutlichsten von seinem Lehrmeister und schuf eine eigene Konzeption, die zwar auf der Silbermann-Tradition fußte, diese aber mit norddeutschen Elementen (umfangreicher Zungenchor, Pedal bis zum 2’ reichend) und zukunftweisenden galanten Tendenzen (streichende Stimmen wie Viola di gamba, Fugara, Violonbaß, dazu die schwebende Unda maris ab a°) vereinte, wodurch sich eine große Klangvielfalt ergab. Aliquotstimmen sind hingegen sehr sparsam vertreten. In der unterschiedlichen Intonation und Mensurierung der einzelnen Werke wirkt jedoch der Lehrmeister Silbermann nach.“ (Friedrich 2016)
Die Dispositionen der Orgeln in Sangerhausen, Pölsfeld und Sotterhausen „zeugen von der Kreativität und sensiblen Klangästhetik Hildebrandts, die in vollendeter Form in seinem großen dreimanualigen Meisterwerk in der Naumburger Wenzelskirche ihren Ausdruck findet“ (vgl. https://hildebrandt-orgel.de/zacharias_hildebrandt.html). Bachs Schwiegersohn und Organist in Naumburg, Johann Christiph Altnikol, hob bei diesem Instrument „besonders die der Gleichstufigkeit angenäherte Stimmungsart (Neidhardt), die leicht spielbare Traktur und die gute Ansprache der Pfeifen, besonders der Lingualstimmen, hervor“ (Friedrich 2016.).
An der Jacobikirche in der Rosenstadt Sangerhausen blüht die von Franz Wänninger im Jahr 2016 gezüchtete Rose „Zacharias Hildebrandt”, die am 1. Juni 2018 anlässlich des 290. Jahrestages der Orgelweihe der Hildebrandt-Orgel getauft wurde.
(Erklärungen zu zahlreichen Fachbegriffen rund um die Orgel finden sich im Orgelglossar.)[/mehr_lesen]
Klangbeispiele
Hildebrandt-Orgel in St. Wenzel zu Naumburg
Hildebrandt-Orgel in Sottershausen
Literatur
Ulrich Dähnert, Der Orgel- und Instrumentenbauer Zacharias Hildebrandt, Leipzig 1962.
Ulrich Dähnert, „Hildebrandt, Zacharias”, in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 130–131 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11870477X.html#ndbcontent.
Felix Friedrich, Art. „Hildebrandt, Zacharias“, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel, Stuttgart, New York 2016ff., zuerst veröffentlicht 2002, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/402564.
Felix Friedrich, Vitus Froesch, Orgeln in Sachsen-Anhalt – Ein Reiseführer, Altenburg 2014.
Links
Hildebrandt-Orgel St. Wenzel Naumburg
Die Orgel – ungewohnte Einblicke in das Instrument des Jahres 2021
Das anschauliche Video von KMD Martina Pohl und Ulrike Großhennig bietet Schüler*innen die Möglichkeit, am Beispiel der Hildebrandt-Orgel in Sangerhausen in das Innere einer Orgel zu schauen, die Funktionsweise kennenzulernen, Fragen zu stellen und sich Detailwissen anzueignen. Das Video ist für schulische Zwecke genauso geeignet wie für Interessierte an diesem einzigartigen Instrument.
SM 2022