Komponist*innen

Naue, Johann Friedrich (1787–1858)

* 17. November 1787 in Halle (Saale), † 19. Mai 1858 ebd.

Biografie

Johann Friedrich Naue war Komponist und Organist, vor allem bekannt für seine ausgeprägte Expertise zur „altclassischen Kunstperiode“ (zit. n. Eitner 1886), mit großer Bindung zur Stadt Halle (Saale). Er wurde dort am 17. November 1787 als Sohn eines wohlhabenden Fabrikanten geboren. Dieser ließ ihm eine gute Erziehung und Bildung zugutekommen. So absolvierte er die dortige Lateinschule der Franckeschen Stiftungen und belegte Vorlesungen an der Friedrichs-Universität, so auch bei dem Philosophieprofessor Johann Gebhard Ehrenreich Maaß. Seine musikalische Ausbildung erhielt er zeitweise bei Carl Friedrich Zelter in Berlin sowie in Halle bei Johann Friedrich Reichardt und Daniel Gottlob Türk. Letzterer nahm mit zunehmend hohem Alter immer weniger Schüler an, entschied sich jedoch, Naue zu unterrichten, da er in ihm ein vielversprechendes Talent sah. Naue unternahm einige Bildungsreisen, u. a. nach Prag und Wien, wo er sogar Ludwig van Beethoven besuchte und von ihm unterrichtet wurde.

Universitätsgebäude in Halle (1836), das heutige „Löwengebäude”; Lithographie von W. Breye

 

In seiner Heimatstadt engagierte er sich sehr für das hallesche Musikleben und prägte dieses wesentlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: So gründete er 1814 zusammen mit Johann Gebhard Ehrenreich Maaß, seinem einstigen akademischen Lehrer und späteren Stief-Schwiegervater, die „Singakademie Halle”, eine der ältesten Singakademien Deutschlands, welche später zur Robert-Franz-Singakademie Halle umbenannt wurde. Ab 1814/15 führte er im Ratskeller mehrere Abonnementkonzerte nach dem Typ des reinen Orchesterkonzerts mit einem oder mehreren Solisten durch und setzte sich als erster nachdrücklich für Beethovens Musik ein. 1816 wurde er Organist an der Marienkirche (Marktkirche), nachdem er sich gegen Carl Loewe durchgesetzt hatte, welcher ebenfalls zu den Bewerbern zählte. Im selben Jahr übernahm er das Amt des Direktors des Stadtsingechores und 1817 das des Universitätsmusikdirektors. 1818 heiratete er Johanne Ruff.

Naue, Johann Friedrich: Musikalische Agende; 1 : Erste Lieferung, enthaltend Liturgische Melodien aus der Zeit der Reformation : nach Texten der erneuerten Agende für die evangelische Kirche in den Königlich Preußischen Landen, neu bearbeitet und zum kirchlichen Gebrauche, so wie auch zu Singübungen für Universitäten, Gymnasien, Seminarien, Militair-Chöre und Volksschulen eingerichtet; 2. Auflage, erste Bearbeitung für Diskant, Alt, Tenor und Baß , Halle: Schwetschke & Sohn,1833 (Titelblatt)

Musikhistorische Bedeutung

Naues musikalische Tätigkeiten als Komponist, Organist, Musikdirektor, Musikaliensammler und Musikorganisator waren sehr vielseitig ausgerichtet.

Er übte und studierte vor allem alte Werke und besaß daher ungeheure antiquarische Kenntnisse. Sein Interesse für die „alten Meister“ brachte ihn dazu, eine ganze Bibliothek alter Meisterwerke zu sammeln. Allem voran war sein Bestreben, in den Besitz der ältesten Kirchenmelodien zu gelangen. Hierfür erwarb er gleich ganze Bibliotheken, weshalb sein Vermögen zur Neige ging und er diese umfassende Sammlung von Musikalien, darunter kirchenmusikalische Werke, Gesangbücher, Lieder und Instrumentalmusik sowie Choralsammlungen und Bücher über die Musik des 16. bis 19. Jahrhunderts, zu großen Teilen ab 1824 an die Königliche Bibliothek zu Berlin (später Preußische Staatsbibliothek) verkaufte. Diese Sammlung bildete, neben einigen anderen, den Grundstock für die Gründung der musikalischen Abteilung der heutigen Staatsbibliothek zu Berlin.

Naue, Johann Friedrich; Musikalische Agende (Auszug, S. 12)

 

Auch auf liturgischem Gebiet erlangte Naue größere Bedeutung,  zunächst durch seinen Versuch einer musikalischen Agende oder Altargesänge zum Gebrauch in protestantischen Kirchen, welcher 1818 im Druck erschien. Bereits seit 1814 beriet das preußische Konsistorium über die Reformierung der Liturgie, weshalb Naue zusammen mit Adolph Bernhard Marx offiziell beauftragt wurde, eine Agende auszuarbeiten. Dabei nutzte Naue alte gregorianische Melodien als Grundlage, bearbeitete sie vierstimmig und fügte eigene Chorsätze bei. Marx war für die Bearbeitung der Texte zuständig. Diese Agende wurde durch Kabinettsbefehl vom 14. Februar 1822 in allen Garnisongemeinden und Militärinstituten eingeführt und an alle Konsistorien gesandt, um sie in den Kirchen zu nutzen. Aufgrund ihrer Popularität fand die Agende nicht nur in den preußischen Kirchen Eingang, sondern wurde auch in den Kirchen von Baden eingeführt (vgl. Eitner 1886). 1829 veröffentlichte Naue dann ein Allgemeines evangelisches Choralbuch in Melodieen, größtentheils aus den Urquellen berichtigt, mit vierstimmigen Harmonieen.

Als Komponist und Herausgeber von Kirchengesängen erlangte Naue vermehrt überregionale Bedeutung, was dazu führte, dass er 1835 in Jena zum Dr. h.c. promoviert wurde.

Johann Friedrich Naue, Allgemeines Evangelisches Choralbuch in Melodieen, größtentheils aus d. Urquellen berichtigt, mit vierstimmigen Harmonieen

 

Dank der Initiative „Bildung im Vorübergehen“ der Bürgerstiftung Halle wurde Johann Friedrich Naue eine besondere Ehre zuteil. Die nach ihm benannte Straße in Halle (Saale) erhielt ein Zusatzschild, welches über ihn informieren soll. Das Schild wurde von der Robert-Franz-Singakademie zu Ehren ihres Gründers gespendet. Zur Anbringung am 30. September 2021 sprach Dr. Konstanze Musketa von der Stiftung Händel-Haus, musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung durch die Sänger und Sängerinnen der Singakademie. Interessanterweise befindet sich die Nauestraße direkt neben der Türkstraße, sodass Schüler und Lehrer auch hier wieder zusammentreffen.

Ecke Naue-/Türkstraße

Werke

Werkauswahl nach MGG (vgl. Eberl 2016):

  • Mus. Versuche, Halle 1816 (Lieder, Arien und Chöre mit Klavierbegleitung)
  • Versuch einer Mus. Agende oder Altargesänge, zum Gebrauch in prot. Kirchen, Halle 1818 (mit ausführlicher Einleitung)
  • Lieder und Canzonetten mit Begl. des Pianoforte, ebd. 1822
  • Allg. Ev. Choralbuch in Melodieen, ebd. 1829
  • Mus. Agende, 2.  Aufl., in 3 Lfg., ebd. 1829, 1834, 1845
  • Altarsge. älterer und neuerer Zeit, ebd. 1845
  • Über den sog. quantitirend=rhythmischen Choral (als Anh. zur NA von D. G. Türks Von den wichtigsten Pflichten eines Org., ebd. 1849)
  • Liturgie-Chöre aus alten Agenden und Missales der ersten Zeit der Reformation, ebd. 1854
  • Festmusiken und -gesänge (aufgeführt u. a. zur 300-Jahrfeier der Reformation 1817, zur Orgelweihe in der Ulrichskirche 1826, Salvum fac regem sowie Te Deum laudamus zur Grundsteinlegung des neuen Universitätsgebäudes 1832)
  • Kantaten (z. B. Adventscantate, ebd. o. J.; Weihnachtscantate, ebd. o. J.)

Noten

Ruhe dir der du geschieden, Cantate zur Gedächtnisfeier edler Verstorbener von Friedrich Naue, kostenloser Download bei IMSLP (Petrucci Music Library)

Literatur

Kathrin Eberl, Art. „Naue, Johann Friedrich“, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, New York, Kassel, Stuttgart 2016ff., zuerst veröffentlicht 2004, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/499955.

Kathrin Eberl-Ruf/Walter Serauky, Art. „Halle“, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, New York, Kassel, Stuttgart 2016ff., veröffentlicht Januar 2022, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/499956.

Robert Eitner, „Naue, Johann Friedrich”, in: Allgemeine Deutsche Biographie 23 (1886), S. 298 –299 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116898666.html#adbcontent.

Gertraut Haberkamp, Art. „Musikbibliotheken und Archive“, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, New York, Kassel, Stuttgart 2016ff., veröffentlicht Juni 2021, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/395803.

Ulrike Kienzle, Art. „Franz, Robert, BIOGRAPHIE“, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, New York, Kassel, Stuttgart 2016ff., zuerst veröffentlicht 2002, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/13842.

Klaus Kropfinger, Art. „Beethoven, Ludwig van“, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, New York, Kassel, Stuttgart 2016ff., zuerst veröffentlicht 1999, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/19165.

Konstanze Musketa, Musikgeschichte der Stadt Halle. Führer durch die Ausstellung des Händel-Hauses, Halle an der Saale 1998, S. 52–56.

Richard Schaal*, Art. „Musikfeste und Festspiele“, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, New York, Kassel, Stuttgart 2016ff., zuerst veröffentlicht 1997, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/12525.

Nauestraße mit Ehrenschild

Links

Johann Friedrich Naue, Musikalische Agende, Digitalsate der Universität Rostock zum Download

Bildung im Vorübergehen: Zusatzschilder für früheren Marktkirchen-Organist Johann Friedrich Naue, Du bist Halle 2021 (von ESEPPELT)

Bildung im Vorübergehen – Johann Friedrich Naue, Bürgerstiftung Halle 2021 (von Antje Löhr Dittrich)

Johann Friedrich Naue in der Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe. Digitale Edition, abgerufen am 14.09.2023

Materialien zum Download

Arbeitsblätter (PDF):

Johann Friedrich Naue – Kreuzworträtsel (Lösungsblatt für Lehrer*innen sowie die Word-Datei des Schüler-Arbeitsblattes auf dem Landesbildungsserver)

Komponistenpersönlichkeiten in Sachsen-Anhalt (Schüler-Arbeitsblatt im Word-Format für Lehrer*innen auf dem Landesbildungsserver)

Lukas Zimmermann 2023

Der Beitrag entstand im Rahmen eines Seminars im Sommersemester 2023 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.