Mit den Zeilen „Ich muss durch den Monsun, hinter die Welt“ (s. Klangbeispiel unten) sangen sich vier „Jungs“ aus dem Raum Magdeburg 2005 in die Ohren vieler junger Menschen.
Bereits 2001, im Alter von zwölf Jahren, gründeten die in Leipzig geborenen Zwillingsbrüder Bill (Gesang) und Tom Kaulitz (Gitarre) aus dem rund 30 km von Magdeburg entfernten Dorf Loitsche gemeinsam mit Gustav Schäfer (Schlagzeug) und Georg Listing (Bass) die Band „Devilish“. Kennengelernt hatten sie sich im Veranstaltungszentrum Gröninger Bad im Magdeburger Stadtteil Salbke bei einem Auftritt der Kaulitz-Brüder. Zweimal nahm die Band am Local-Heroes-Wettbewerb teil, kam aber nie über die Vorrunde hinaus. 2003 wurde sie vom Musikproduzenten Peter Hoffmann im Gröninger Bad entdeckt. Das Label Sony BMG Music Entertainment nahm die Gruppe unter Vertrag, ließ sie aber vor dem ersten Album Release wieder fallen. 2005 wurde sie von der Universal Music Group übernommen und änderte den Bandnamen in „Tokio Hotel“. Unter diesem Namen wurde sie mit vier Nummer-Eins-Titeln in Deutschland und Österreich und Platinauszeichnungen in 68 Ländern zu einer der kommerziell erfolgreichsten Bands Deutschlands seit 2005.
Genretypisch ordnet man „Tokio Hotel“ – besonders in den frühen Jahren – in den Pop-Rock und Rock ein. Die Band orientiert sich musikalisch wie äußerlich an klassischen Merkmalen der Rockmusik. Vor allem die Liedtexte handeln von typischen Themen wie Liebe, Wut und Weltschmerz. Äußerlich spielt die Gruppe mit dem Kleidungsstil der Rockmusik und variiert ihn mit den Einflüssen der frühen 2000er-Jahre. Insbesondere Bill Kaulitz sticht als Frontsänger mit seiner schon in jungen Jahren androgynen Gestalt und Außenwirkung heraus. Er orientiert sich damit an einem klassischen Rockbild der 1970er-Jahre. Mit diesem Image ist „Tokio Hotel“ eine Band, die stark polarisiert wahrgenommen wird zwischen reiner Marketingstrategie und echter Authentizität.
Stalking und die starke mediale Präsenz bewogen die Bandmitglieder 2010 zum Rückzug. Die Brüder Kaulitz gingen nach Los Angeles und die beiden anderen Musiker zogen sich in ein normales Alltagsleben in die alte Heimat Magdeburg zurück, wo Gustav Schäfer heute noch mit seiner Familie lebt.
Ab 2012 waren die Brüder Bill und Tom wieder medienwirksam in Castingshows und anderen Formaten zu sehen. Mit dem ersten komplett englischsprachigen Album „Kings of Suburbia“ aus dem Jahr 2014 wandelte sich der Stil der Band hin zu modernerem Synthiepop. Von 2016 an stand „Tokio Hotel“ bei Starwatch Entertainment unter Vertrag und produzierte unter dem eigenen Sublabel Devilish GbR. 2019 erschien die Single „Melancholic Paradise“ (Titelsong der 14. Staffel von “Germany’s next Topmodel”), unter deren Titel die Band anschließend europaweit auf Tour ging. Im Sommer 2019 fand das nach 2018 zweite Sommercamp auf dem Festivalgelände Ferropolis u. a. mit Konzert, Themenpartys, Fotoshootings und Grillabend unter Anwesenheit der Bandmitglieder statt.
Im Herbst 2020 wechselte „Tokio Hotel“ zu Sony Music, erste gemeinsame Single war die Neuauflage von Durch den Monsun zum 15-jährigen Song-Jubiläum in Deutsch und English. Im Januar 2021 folgte die Single White Lies in Zusammenarbeit mit dem erfolgreichen deutschen Musikprojekt VIZE, die für „mehr als 200 000 verkaufte Einheiten allein in Deutschland, Österreich und der Schweiz” mit einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet wurde (vgl. https://www.sonymusic.de/dreifach-gold-fur-white-lies-von-vize-und-tokio-hotel/). Die für 2021 geplante „Beyond The World” Tour durch mehrere europäische Länder musste coronabedingt auf 2023 verschoben werden. Am 18. November 2022 erschien das 6. Studioalbum von „Tokio Hotel” unter dem Titel „2001″, dem Gründungsjahr der Band.
Der Dokumentarfilm „Tokio Hotel – Hinter die Welt“ (s. Link unten) aus dem Jahr 2017 taucht in das Leben der Bandmitglieder ein. Angesprochen werden Themen wie der Preis des Erfolgs, die Unzertrennlichkeit der Brüder, Liebe, Heimat und Musik.
Am 28. September 2023 wurden Bill und Tom Kaulitz in der Kategorie „Beste Unterhaltung Show” für ihre Moderation der deutschen Version der US-amerikanischen Musikshow „That’s my Jam” unter dem Titel „That’s my Jam mit Bill & Tom Kaulitz” mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.
Klangbeispiele
Durch den Monsun, 2005
Feel It All, Album: “Kings Of Suburbia” (2014)
Monsoon 2020 (Official Music Video)
White Lies, 2021 (Official Music Video)
Literatur
Christina Deniz, Tokio Hotel: Starportrait, München 2006
Links
Tokio Hotel – Hinter die Welt, Dokumentarfilm 2017, Official Trailer
Gröninger Bad: Talentschmiede seit 25 Jahren, DATEs – Das Magdeburger Stadtmagazin, 25. November 2018
Tokio Hotel schwelgen in Erinnerungen, Martin Weigle, Volksstimme 16.11.2020
Tim Panhans/SM 2019, letzte Aktualisierung Oktober 2023
Der Beitrag entstand im Rahmen eines Seminars im Sommersemester 2018 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.