* 22. Dezember 1723 in Köthen, † 20. Juni 1787 in London

Biografie
Carl Friedrich Abel entstammt einer Familie von Gambenspielern. Sein Vater, Christian Ferdinand Abel, war „Cammer-Musicus“ in der Köthener Hofkapelle, u. a. unter Augustin Reinhard Stricker, der von 1714 bis 1717 in Köthen Hofkapellmeister war, und dessen Amtsnachfolger Johann Sebastian Bach, der 1717 bis 1723 in Köthen wirkte. Bach war Taufpate von Abels älterer Schwester Sophie-Charlotte, die 1720 geboren wurde. Carl Friedrich Abel selbst wurde am 26. Dezember 1723 in der Schlosskapelle Köthen getauft.
Über Abels Kindheit und Jugend gibt es kaum Informationen. Es ist nicht nachweisbar, dass er, wie vielfach angenommen, Schüler Bachs an der Leipziger Thomasschule war. Dokumentiert ist er 1743 als Violoncellist und Gambist in der Dresdner Hofkapelle unter Johann Adolph Hasse (vgl. Knape 2016 sowie das Namensverzeichnis der Sächsischen Staatskapelle Dresden, S. 20, nachzulesen hier). Mit Ausbruch des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) begann für Abel eine Zeit des Herumreisens, in der er u. a. im Jahr 1758 im Elternhaus des jungen Goethe in Frankfurt am Main als geachteter Gambist zu Gast war, wie in Goethes Dichtung und Wahrheit zu lesen ist.
Im Jahr 1759 siedelte Abel nach London über, wo er mit kurzen Unterbrechungen bis zu seinem Tode lebte. Er wurde bald als Gambenvirtuose und Komponist zu einer der angesehensten Musikerpersönlichkeiten im damaligen London und von Königin Charlotte zum Kammermusiker ernannt. Mit Johann Christian Bach (1735–1782), dem jüngsten Sohn Johann Sebastian Bachs, der 1762 nach London kam und zu dem sich eine intensive Freundschaft und geschäftliche Partnerschaft entwickelte, lebte Abel zeitweilig in einer Wohngemeinschaft zusammen.
Bei den „Bach-Abel-Concerts“, den ersten Abonnementkonzerten Europas, wirkte er zusammen mit Johann Christian Bach von 1765 bis zu dessen Tod 1782 erfolgreich als Solist, Komponist und Dirigent. Organisiert wurde diese exklusive Konzertreihe, bei der sechs aufeinanderfolgende Konzerte im Voraus gebucht und bezahlt werden mussten, zunächst von der Opernsängerin und Unternehmerin Teresa Cornelys, die mit dem „Carlisle House” am Londoner Soho Square einen „Luxustempel” zum Vergnügen der „High Society” betrieb (vgl. https://www.br-klassik.de/themen/klassik-entdecken/erstes-abonnementkonzert-europas-bach-abel-concerts-was-heute-geschah-1765-100.html). Sie übertrug Bach und Abel die musikalische Leitung. Im Jahr 1775 machten sich die beiden von Mrs. Cornelys unabhängig und führten die Konzertreihe mit der Errichtung eines eigenen Konzertsaales (in Partnerschaft mit dem Tanzmeister Giovanni Andrea Gallini) in den „Hanover-Square-Rooms“ selbstständig weiter (vgl. Knape 2016).
Einer von Abels engsten Freunden war neben Bach der Maler Thomas Gainsborough, von dem zwei Porträts Abels erhalten sind. Carl Friedrich Abel starb am 20. Juni 1787 in London, vermutlich an den Folgen seines übermäßigen Alkoholkonsums.

Musikhistorische Bedeutung
Carl Friedrich Abel gilt als der letzte große Gambenvirtuose, da sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts zunehmend das aus der Violinfamilie stammende Violoncello in den Orchestern und auch als Soloinstrument gegenüber dem entsprechenden Instrument aus der Gambenfamilie durchsetzte. Beide Instrumentenfamilien entwickelten sich vom 16. bis 18. Jahrhundert parallel. Mit dem Alleinstellungsmerkmal des virtuosen Gambenspiels konnte sich Abel in London eine musikalische „Nische“ erobern und musste keine modernere und jüngere Konkurrenz scheuen.
Abels Kompositionsstil schließt sich der Mannheimer Schule und Johann Christian Bach an und entspricht dem, was heute gemeinhin als „Vorklassik“ bezeichnet wird. Seine zahlreichen Orchesterwerke werden gerühmt wegen ihrer Harmonik, die als „außergewöhnlich farbig und ausdrucksvoll, vor allem in den langsamen Sätzen“ beschrieben wird (Knape 1999, Sp. 34–35). In den Kopfsätzen seiner Sinfonien verweisen zwei gegensätzliche Themen und „Durchführungsansätze“ bereits auf die Sonatenhauptsatzform. Die Schlusssätze sind oft Menuette oder Rondos. Berühmt war Abel für seine gefühlvollen Adagios in Bezug auf die Komposition wie auf das eigene Spiel („writing and playing“, Burney 1958, S. 1019).
Viele von Abels Sonaten für Gambe „entstanden wohl in erster Linie für musizierende Liebhaber, einige vielleicht für Schüler“ (Knape 1999, Sp. 34). In diesen ging es eher um einen „galanten Stil“ (Holman 2010a) als um Virtuosität. Besonders bei privaten Vorspielabenden im Freundeskreis, immer begleitet von einem guten Glas Wein, kamen dagegen seine eindrucksvollen spielerischen Fähigkeiten zu Gehör. Dazu schreibt der Abel-Zeitgenosse Charles Burney in
A General History of Music (erschienen 1789):
„Sein Spiel auf der Viola da Gamba war in jeder Hinsicht vollkommen und makellos. Er hatte eine Hand, die von keinerlei Schwierigkeiten in Verlegenheit gebracht werden konnte; einen sehr gebildeten und empfindsamen Geschmack und ein so korrektes und sicheres Urteil, dass ihm niemals eine einzige Note ohne Bedeutung entschlüpfte. Seine Kompositionen waren leicht und auf elegante Weise einfach, denn er pflegte zu sagen, ‚Ich bin nicht dafür, immer mit Schwierigkeiten zu kämpfen und mit aller meiner Kraft zu spielen. Ich mache meine Stücke komplizierter, wenn es mir gefällt, je nach meiner Verfassung und der meiner Zuhörer.‘ “ (Zit. wird die Übersetzung von Leonore von Zadow-Reichling und Günter von Zadow, zu finden hier.)
Abels Kompositionen für Gambe gehören heute – auch dank zahlreicher Notenausgaben unterschiedlichen Schwierigkeitsgrades – zum gängigen Repertoire für Gambenspieler. Seit 1997 findet in Köthen alle drei Jahre der Internationale Bach-Abel-Wettbewerb für Viola da Gamba statt.
Im Rahmen eines internationalen Abel-Festivals vom 22.–25. Juni 2023 unter der künstlerischen Leitung des renommierten Gambisten Thomas Fritzsch wurde zum 300. Geburtstag des Komponisten in Köthen erstmalig der mit 2500 € dotierte und von der Stadt Köthen gestiftete Carl-Friedrich-Abel-Preis verliehen. Preisträger waren das Verleger-Ehepaar Günter von Zadow und Leonore von Zadow-Reichling, die sich mit ihrem Musikverlag Edition Güntersberg vorrangig der Erforschung und Herausgabe Abel’scher Werke verschrieben haben. Der Preis soll in Zukunft alle zwei Jahre vergeben werden.

Werke
Carl Friedrich Abel komponierte fast ausschließlich Instrumentalmusik. Nur wenige Arien und Lieder sind von ihm bekannt (s. u. AbelWV). Hingegen schrieb er zahlreiche Sonaten für die Viola da Gamba „für seinen eigenen Gebrauch in Konzerten“ (Peter Holman 2010a). Dabei gibt es sowohl Sonaten mit Begleitung einer Bassstimme, die üblicherweise auf einem Cello gespielt wurde, als auch Solosonaten für Gambe, die „virtuoser, komplizierter und ausgefallener“ (ebd.) waren. Die meisten der heute zugänglichen Gambenwerke Abels stammen aus dem Nachlass der Gräfin von Pembroke, die vermutlich seine Schülerin war.
Des Weiteren komponierte Abel heitere dreisätzige Sinfonien, Ouvertüren, Instrumentalkonzerte und Kammermusik in den unterschiedlichsten Besetzungen, die u. a. vom jungen Wolfgang Amadeus Mozart rezipiert wurden, darunter die Es-Dur-Sinfonie op. 7 Nr. 6, die Mozart 1764/65 während eines London-Aufenthaltes abgeschrieben hatte.
Dem in Freyburg an der Unstrut lebenden und weltweit aktiven Gamben-Virtuosen und Abel-Fachmann Thomas Fritzsch gelangen bisher mehrere spektakuläre Funde verschollen geglaubter Werke Carl Friedrich Abels. Dazu gehören die im Jahr 2019 wiederentdeckten Sechs Trios op. 3 für Violine/Traversflöte, Violine und Basso (WKO 80–85, AbelWV C 7–12). Fünfzehn bisher noch vermisste handschriftliche Notenblätter dieser Komposition wurden im Frühjahr 2021 zufällig zwischen Dokumenten des Homöopathie-Begründers Samuel Hahnemann in Köthen gefunden (s. Link unten).
Im Abel-Jubiläumsjahr 2023 erschien ein neues Abel-Werkverzeichnis (AbelWV) von Günter von Zadow im ortus musikverlag (vgl. http://www.guentersberg.de/pdf-referate/abelwv-summary.pdf). Es enthält 420 Kompositionen Abels und trägt damit der Tatsache Rechnung, dass gegenüber dem im Jahr 1971 von Walter Knape veröffentlichten Verzeichnis (WKO, 233 Werke) zahlreiche neu entdeckte Werke und zusätzliche Quellen zu bereits bekannten Werken hinzukamen. Eine Zusammenstellung sämtlicher Werknummern kann hier abgerufen werden.

Klangbeispiele
Carl Friedrich Abel: Moderato A1:29 für Viola da Gamba (Thomas Fritzsch, Kulturbotschafter der Stadt Köthen und Sonderbotschafter des Burgenlandkreises, spielt im Dom zu Zeitz am 20.12.2020 zur Andacht „Licht aus Bethlehem”)
Siciliano aus der Sonata für Viola da Gamba und Basso continuo e-Moll WKO 150 von Carl Friedrich Abel, eingespielt im 1. Stock des Kulturguts Ermlitz (zu sehen sind auch die berühmten Wandtapeten), Thomas Fritzsch (Viola da Gamba), Shalev Ad-El (Pianoforte & Cembalo)
Sonata for viola da gamba No. 15 in G major WKO 155, Phillip Serna, Viola da Gamba (kostenloser Notendownload hier)
6 Sinfonien op. 7 WKO 13–18
Es gibt eine Vielzahl von CD-Einspielungen mit Werken Carl Friedrich Abels (Liste der Einspielungen hier) sowie Videobeispiele auf Youtube.
Noten zum Download
Eine Reihe von weiteren Werken Abels finden sich zum kostenlosen Download in der Petrucci Music Library hier.
Literatur
Charles Burney, A General History of Music, Third Edition, Volume 4, Baden-Baden 1958 (zuerst erschienen London 1789).
Peter Holman, C. F. Abel, Sonata Viola da Gamba Solo & Basso, aus der Pembroke-Sammlung, AbelWV B40 (WKO 152, A2:9), Vorwort zur Notenausgabe, Edition Güntersberg, Heidelberg 2010a (übersetzt von Günter und Leonore von Zadow, vgl. http://www.guentersberg.de/noten/de/g188.php).
Peter Holman, Life after Death: the Viola da Gamba in Britain from Purcell to Dolmetsch, Woodbridge 2010b.
Walter Knape, Art. „Abel, Karl Friedrich“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 2. neubearb. Ausgabe, hrsg. von Ludwig Finscher, Personenteil, Bd. 1, Kassel u. a. 1999, Sp. 32–35.
Walter Knape, Art. „Abel, Karl Friedrich”, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, New York, Kassel, Stuttgart 2016ff., veröffentlicht November 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/45465.
Günter von Zadow, Catalogue of Works of Carl Friedrich Abel (AbelWV), Beeskow 2023.
Anregungen für den Unterricht
Welcher „Bach“ und welcher “Abel” könnten jeweils beim Namen „Bach-Abel-Wettbewerb“ (Köthen) bzw. „Bach-Abel-Konzerte“ (London) gemeint sein? (Recherche im Musikkoffer)
Sonate für Sologambe in G-Dur WKO 155: Das Notenbeispiel (Minuet) auf dem Arbeitsblatt (s. Materialien zum Download) ist als Klangbeispiel oben unter Min. 2:25 abrufbar.
Eine Radiosendung im Rahmen der SWR2 Musikstunde (von Nele Freudenberger, ausgestrahlt am 4. Februar 2019) beleuchtet anschaulich die Freudschaft und geschäftliche Partnerschaft von Carl Friedrich Abel und Johann Christian Bach in London (1. Teil der Reihe „Musikerfreundschaften”). Das Manuskript steht hier zum Download bereit.
Links
Handschriftliche Komposition von Carl Friedrich Abel in Köthen wiederentdeckt (Artikel auf mz.de vom 16.04.2021)
„Bach-Abel Concert” im Luxustempel, Uta Sailer, BR KLASSIK, 22.01.2018
Auf ihrer CD Born to be mild überschreitet die bekannte Barockgambistin Hille Perl Genregrenzen hin zu Elektro-Sound und Rockmusik und interpretiert zusammen mit Tochter Marthe und Ehemann Lee Santana Werke unterschiedlicher Stilrichtungen für zwei halbakustische (elektronisch verstärkte) Gamben und E-Gitarre (mit Videotrailer und Klangbeispielen).
Materialien zum Download
Arbeitsblätter (PDF):
Komponistenpersönlichkeiten in Sachsen-Anhalt (Schüler-Arbeitsblatt im Word-Format für Lehrer*innen auf dem Landesbildungsserver)
Viola da Gamba und Violoncello – zwei ähnliche Instrumente zur Zeit Carl Friedrich Abels (Lösungsblatt für Lehrer*innen sowie die Word-Datei des Schüler-Arbeitsblattes auf dem Landesbildungsserver)
SM 2017, letzte Aktualisierung Juni 2023