Komponist*innen

Bach, Johann Sebastian (1685–1750), in Köthen

* 21. März 1685 in Eisenach, † 28. Juli 1750 in Leipzig

Johann Sebastian Bach im Jahre 1746, mit Rätselkanon (Ölgemälde von Elias Gottlob Haußmann aus dem Jahre 1748)

Biografie

Bevor der 1685 in Eisenach geborene Johann Sebastian Bach im Jahr 1723 seine „Lebensstelle“ als Thomaskantor in Leipzig antrat, hatte er schon mehrere, meistens nur wenige Jahre währende Anstellungen in Arnstadt, Mühlhausen, Weimar und Köthen hinter sich. Die fünfeinhalb Jahre in Köthen von 1717 bis 1723 als Kapellmeister und Kammermusikdirektor am Hofe des musikliebenden jungen Fürsten Leopold von Anhalt-Köthen haben sowohl im Leben und Werk des Komponisten als auch in der kleinen anhaltischen Stadt Köthen ihre Spuren hinterlassen.

Der Wechsel von Weimar nach Köthen verlief für Bach etwas holprig, hatte er doch schon im August des Jahres den neuen Dienstvertrag unterschrieben, ohne von seinem Weimarer Dienstherrn zuvor die Einwilligung zu seiner Entlassung erhalten zu haben. Dieses Verhalten bescherte ihm eine vierwöchige Haft, so dass er erst im Dezember mit seiner Frau Maria Barbara und vier Kindern in Köthen eintraf.

Die Stadt Köthen selbst hatte zu diesem Zeitpunkt nur rund 3000 Einwohner, das gesamte Landesterritorium kam auf etwa 10.000 (Forchert 2000). Johann Sebastian Bach stand eine hervorragende, bei seinem Amtsantritt 15-köpfige Hofkapelle zur Verfügung, die sich weitestgehend aus Musikern der von dem „Soldatenkönig” Friedrich Wilhelm I. fast vollständig aufgelösten Berliner Hofkapelle rekrutierte und zu der auch der Gambist Christian Ferdinand Abel gehörte. Die Proben fanden vermutlich im damaligen Wohnhaus der Familie Bach statt. Für Bach sah zu Beginn seiner Tätigkeit alles so aus, als könne dies eine Stellung auf Lebenszeit sein, wie er am 28. Oktober 1730 an seinen alten Schulfreund Georg Erdmann schrieb.

Der erste große Schicksalsschlag kam 1720, als Bachs Frau mit 35 Jahren aus bis heute ungeklärten Gründen starb, während er selbst mit dem Fürsten in Karlsbad weilte. Als er zurückkehrte und von ihrem Tod erfuhr, war sie bereits beerdigt. Schon eineinhalb Jahre später heiratete Bach die ebenfalls am Hof angestellte Sopranistin Anna Magdalena Wilcke, mit der er insgesamt 13 Kinder hatte, von denen sieben bereits im Kindesalter starben.

Auch der Fürst heiratete und etwa zeitgleich änderte sich sein Verhältnis zur Musik. Hatte er vorher häufig selbst als Geiger in der Hofkapelle mitgewirkt, schien er nach der Heirat mit der laut Bach „amusischen“ Prinzessin Friederike Henriette von Anhalt-Bernburg das Interesse an seiner Hofkapelle verloren zu haben. Nach heutiger Einschätzung kann man allerdings davon ausgehen, dass nicht der Einfluss der neuen Fürstin und knappere Haushaltsmittel, sondern in erster Linie Leopolds schlechter Gesundheitszustand und mehrere ernsthafte Erkrankungen des Fürsten zu einer Verschlechterung von Bachs Arbeitsbedingungen führten. So war es kaum verwunderlich, dass Bach aus Köthen weggehen wollte und sich nach reiflicher Überlegung auf das nach dem Tod von Johann Kuhnau frei gewordene Thomaskantorat in Leipzig bewarb, obwohl das Amt eines Hofkapellmeisters zur damalige Zeit ein höheres Ansehen genoss als das eines Kantors und Schulmeisters. Als „dritte Wahl“, da Georg Philipp Telemann wegen des besseren Verdienstes lieber in Hamburg blieb und Christoph Graupner aus Darmstadt von seinem Dienstherrn nicht freigestellt wurde, erhielt Johann Sebastian Bach die Stelle als Thomaskantor und verließ daraufhin Köthen im Mai 1723. Er lebte mit seiner Familie bis zu seinem Tod 1750 in Leipzig, hielt aber seinem vormaligen Landesherrn dennoch bis zu dessen Tod die Treue und weilte als Kapellmeister von Haus aus noch einige Male in Köthen, bevor er die Trauermusik für seinen 1728 verstorbenen Dienstherrn im Frühjahr 1729 in der Köthener St. Jakobskirche zur Aufführung brachte.

Musikhistorische Bedeutung

Bedeutende Instrumentalkompositionen Johann Sebastian Bachs fallen vermutlich in seine Köthener Zeit. Die Köthener Fürstenfamilie bekannte sich mehrheitlich zum reformierten Glauben, demgemäß Gottesdienste zugunsten der Verkündigung des Gottesworts schlicht und schmucklos sein mussten. Bach konzentrierte sich deshalb vorwiegend auf weltliche Kompositionen. Zu seinen Aufgaben gehörte an erster Stelle das Komponieren von Glückwunschkantaten zu Fürstengeburtstagen und zum Neujahrsfest. Diese Werke sind größtenteils verloren gegangen, die Musik findet sich aber z. T. in einigen späteren geistlichen Kantaten Bachs wieder (Parodieverfahren). Außerdem musste Bach neue Werke für das gemeinsame Musizieren des Fürsten mit seiner Hofkapelle während kammermusikalischer Soireen im Schloss Köthen bereitstellen.

Bereits im Jahr 1719 schickte der musikalisch sehr bewanderte Fürst seinen Hofkapellmeister nach Berlin, um dort ein neues zweimanualiges Cembalo aus der Werkstatt des Hofinstrumentenmachers Michael Mietke abzuholen. Bei dieser Gelegenheit musizierte Bach vor dem Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg, für den er im Jahr 1721 einzelne Konzertsätze – vermutlich aus seiner Weimarer und Köthener Zeit – zu sechs Konzerten mit unterschiedlicher Instrumentalbesetzung zusammenstellte. Diese von Bach mit Six Concerts Avec plusieurs Instruments („Sechs Konzerte mit mehreren Instrumenten“) überschriebenen Stücke gingen später als Brandenburgische Konzerte (BWV 1046–1051), wie sie der Musikwissenschaftler Philipp Spitta in seiner Bach-Biografie erst im 19. Jahrhundert nannte, in die Musikgeschichte ein. Vermutlich versprach sich Bach, der damals bereits Köthen verlassen wollte, durch die Widmung eine Anstellung beim Markgrafen.

Originalgetreue Nachbildung des Mietke-Cembalos im Köthener Schloss

 

Heute ehrt die Stadt Köthen, die sich „Bachstadt“ nennt, Johann Sebastian Bach in vielfältiger Weise:

Die 2001 gegründete Köthener BachGesellschaft mbH veranstaltet im jährlichen Wechsel die Köthener Bachfesttage und den Nationalen Bach-Wettbewerb für junge Pianisten.

Der Freundes- und Förderkreis Bach-Gedenkstätte im Schloss Köthen e. V. organisiert alle zwei Jahre den Köthener Herbst mit Konzerten und einem Symposium.

Gedenktage wie Bachs Geburtstag und der Tag der Ankunft der Familie Bach in Köthen werden mit Konzerten begangen.

Mit dem eigens für die Bach-Festtage gegründeten BachCollektiv unter der Leitung der bekannten Barockgeigerin Midori Seiler nimmt sich ein aus 18 renommierten Barockspezialisten aus zahlreichen Nationen bestehendes Ensemble – darunter internationale Preisträger sowie Professorinnen und Professoren – die Köthener Hofkapelle zum Vorbild und trifft sich regelmäßig anlässlich der Bach-Festtage eine Woche lang zu Proben und Konzerten in Köthen.

Neben den „großen“ Konzerten mit ein- bis zweistündiger Dauer finden anlässlich eines Schlossfestwochenendes mit speziellen Angeboten für Familien auch „Halb-“ oder „Viertelkonzerte“ mit 20 bis 40 Minuten Dauer an verschiedenen Orten im Schloss oder in der Köthener Altstadt statt.

Auf der Website der Stadt Köthen lädt ein virtueller Stadtrundgang auf den Spuren Bachs zum „Nachlaufen“ vor Ort ein.

Werke

Eine genaue Chronologie der in Köthen entstandenen Werke Johann Sebastian Bachs ist aufgrund der Quellenlage nicht möglich. Im Frühjahr 1720 begann er wohl mit dem Clavierbüchlein zur musikalischen Unterweisung seines ältesten Sohnes Wilhelm Friedemann. Darin enthalten sind u. a. die zweistimmigen und dreistimmigen Inventionen und Sinfonien (BWV 772–801), die auch heute noch zum Repertoire eines jeden Klavierschülers gehören.

Ebenfalls in die Köthener Zeit zählen aller Wahrscheinlichkeit nach – neben den bereits oben erwähnten Brandenburgischen Konzerten – der erste Teil des Wohltemperierten Klaviers (BWV 846–893), einer Sammlung von 24 Präludien und Fugen für das Klavier, in der sämtliche Dur- und Moll-Tonarten in jeweils einem Paar aus Präludium und Fuge „abgehandelt“ werden, und die sechs Sonaten und Partiten für Violine solo (BWV 1001–1006) sowie die Englischen Suiten (BWV 806–811), deren Frühfassungen auf die Köthener Jahre zurückgehen.

Autograph einer Solosonate für Violine von J. S. Bach (1720)

 

Gegen Ende von Bachs Köthener Zeit (1722) entstand auch der erste Teil des Clavier-Büchleins vor Anna Magdalena Bachin, das u. a. frühe Fassungen von Bachs Französischen Suiten (BWV 812–817) enthält und nur in fragmentarischer Form vorliegt. Berühmter ist der zweite Teil von 1725 aus der Feder von Anna Magdalena Bach mit einer Zusammenstellung von Kompositionen unterschiedlicher Komponisten der damaligen Zeit.

Clavier-Büchlein vor Anna Magdalena Bachin Anno 1722, Deckblatt

Klangbeispiel

Johann Sebastian Bach – Klavierbüchlein für Wilhelm Friedemann Bach (Cd No.1), Joseph Payne (Cembalo, Clavichord, Orgel)

Literatur

Werner Breig, Art. „Bach, Johann Sebastian“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 2. neubearbeitete Ausgabe, hrsg. von Ludwig Finscher, Personenteil Bd. 1, Kassel u.a. 1999, Sp. 1406–1409.

Arno Forchert, Johann Sebastian Bach und seine Zeit, Laaber 2000.

Christoph Wolff, Johann Sebastian Bach, Frankfurt am Main 2000.

Andreas Glöckner, „Vom anhalt-köthenischen Kapellmeister zum Thomaskantor – Köthener Werke in Leipziger Überlieferung“, in: Cöthener Bach-Hefte 11, Köthen 2003, S. 78–96.

Links

Bachfesttage

Website Schloss Köthen

Freundes- und Förderkreis Bach-Gedenkstätte im Schloss Köthe (Anhalt) e. V.

Website der Stadt Köthen

Zwei Bach-Häuser in Köthen

Anregungen für den Unterricht

Wo Johann Sebastian Bach mit seiner Familie in Köthen wohnte, ist trotz intensiver Forschung seit Ende des 19. Jahrhunderts, die zu unterschiedlichen Hypothesen führte, nicht eindeutig nachweisbar. In einer u. a. aus EU-Mitteln finanzierten Studie, deren Ergebnisse im Jahr 2008 veröffentlicht wurden (als PDF-Datei zum Download hier), konnten aber die beiden laut den Verfassern wahrscheinlichsten Wohnhäuser Bachs in Köthen ermittelt werden (Informationen hier). Dazu wurden alle Köthener Häuser der damaligen Zeit anhand von Originaldokumenten, Büchern, Zeitschriften, Grundsteuerakten, Karten etc. in einem „semantischen Netz“ unter Zuhilfenahme moderner Informationstechnologie erfasst. In einem Ausschlussverfahren blieben zwei von acht in der umfangreichen Bach-Literatur erwähnten möglichen Wohnhäusern übrig.

Die Schülerinnen und Schüler können sich auf den Spuren der Forscher auf Internet- und Vor-Ort-Recherche begeben. Die oben stehenden Links sowie die Fragen unten helfen dabei. Die Ergebnisse der Recherche, ergänzt durch eigene Fotos, können – auch in Gruppenarbeit möglich – in Posterform aufbereitet und grafisch gestaltet werden. In einem Wettbewerb werden dann die gelungensten Poster gekürt.

Welche Adressen sind den beiden mutmaßlichen Wohnhäusern Bachs zuzuordnen? – Was blieb von den damaligen Häusern erhalten? – Welche Bebauung ist heute dort zu finden? – In welchem der beiden Häuser lebte Bach mit seiner Familie nach den Ergebnissen der Forscher zuerst? – Wann zog die Familie danach in das zweite Domizil um? – Wer war Bachs möglicher Vermieter? – Wo probte die Köthener Hofkapelle lange Zeit? – Mit welchen Verfahren gelang es den Forschern, die „wahrscheinlichsten“ Häuser herauszufinden?

Materialien zum Download

Arbeitsblätter (PDF):

Bach in Köthen: Stadtrallye (Autor: David Lein; Lösungsblatt für Lehrer*innen auf dem Landesbildungsserver)

Protokoll der Stationen bei 4 Gruppen

Die Aufgaben sind als eine Art „Grundstock” anzusehen, der je nach Sonderausstellung im Museum und Mitarbeitern in den Kirchen erweitert werden kann. In der vorliegenden Form sind die Aufgaben in 90 Minuten zu bewältigen. Die Schüler gehen bis zum vollendeten 14. Lebensjahr kostenfrei ins Schlossmuseum. Somit wäre es am günstigsten, die Stadtrallye in der 8. Jahrgangsstufe durchzuführen (beispielsweise im Zusammenhang mit einer Stationenarbeit zu Bach, wie sie im mip-journal des Helbling-Verlages, Heft 36, enthalten ist).

Komponistenpersönlichkeiten in Sachsen-Anhalt (Schüler-Arbeitsblatt im Word-Format für Lehrer*innen auf dem Landesbildungsserver)

Powerpoint-Präsentationen:

Fugentechnik am Beispiel J. S. Bachs, Fuge in E-Dur BWV 854 (Das Wohltemperierte Klavier, Teil I), Autor: Gordon Dannat

Fugentechnik am Beispiel J. S. Bachs (PDF-Datei)

Zwischen Form und Technik. Die Fuge. Am Beispiel der Fuge Nr. 1 C-Dur BWV 846 (Das Wohltemperierte Klavier, Teil I), Autorin: Josi Skowronek

Zwischen Form und Technik. Die Fuge. (PDF-Datei)

Das Ereignis der Reprise in der Suitensatzform am Beispiel der Sechs Suiten für Violoncello solo von Johann Sebastian Bach (BWV 1007 – 1012),
Autorin: Selena Brill

Das Ereignis der Reprise in der Suitensatzform am Beispiel der Sechs Suiten für Violoncello solo (PDF-Datei)

Die Französische Suite Nr. 5 G-Dur ( BWV 816) von Johann Sebastian Bach, Autoren: Theodor Natu und Klemens Siebrand

Die Französische Suite Nr. 5 G-Dur ( BWV 816) von Johann Sebastian Bach (PDF-Datei)

SM 2017, letzte Aktualisierung August 2022