Instrumente

Rühlmann-Orgel in St. Wenzel Nauendorf (Saalekreis)

Rühlmann-Orgel in der Nauendorfer Kirche

Orgelbauer

Wilhelm Rühlmann sen.

Orgelgeschichte

(Die unterstrichenen Begriffe finden sich im Orgelglossar.)

Die heutige Orgel wurde von Wilhelm Rühlmann im Jahr 1907 erbaut und 1909 in der Kirche St. Wenzel in Nauendorf installiert. Damit fällt das Instrument in die größte Schaffensphase der Orgelbauwerkstatt Rühlmann zwischen 1885 und 1914. Der Prospekt sowie der Rest des Gehäuses stammen aus der Zeit des Barock, wobei der Erbauer unbekannt ist. In den Jahren 2001/2002 erfuhr das Instrument eine Sanierung durch den Orgelbauer Thomas Schild aus Halle. Die Orgel ist heute in einem guten Zustand und gut bespielbar. Sie wird im Rahmen von Gottesdiensten und Konzerten regelmäßig genutzt.

Kirche Nauendorf

Technische Ausstattung

Die Rühlmann-Orgel in Nauendorf ist eine typische Vertreterin ihrer Zeit. Um das Jahr 1900 wurden Instrumente nach dem Ideal der Romantik mit einem sehr warmen Klang gebaut. Ganz im Gegensatz zu den Orgeln des Barock, welche vor allem für ihre glitzernden und hell klingenden Oberstimmen bekannt sind. Das liegt zum Großteil an den vielen Registern im sogenannten Grundstimmenbereich. Damit sind Klangfarben gemeint, die das Fundament des Orgelklangs bilden. Bezeichnet werden diese Register mit der Kennzeichnung 8‘ (8-Fuß). Das entspricht einer Pfeifenlänge von etwa 2,40 Metern beim tiefsten Ton auf dem Manual oder im Pedal.

Von den insgesamt 14 Registern auf zwei Manualen und Pedal, was sehr beachtlich für eine Dorfkirchorgel ist, sind 8 Grundstimmen. Werden all diese gezogen, ergibt sich ein rundes und warmes Klangbild, das dem eines Orchesters gleicht. Nicht zuletzt sind einige Register an dieser Orgel nach Instrumenten benannt worden. So gibt es im Hauptwerk eine Gambe 8‘, im Oberwerk findet sich ein Geigenprinzipal 8‘ und im Pedal erzeugt ein Violon 16‘ einen Basston, der einem Cello oder einem Kontrabass nahekommen soll.

Eine große Besonderheit bildet das Register Voix céleste 8‘ im Oberwerk. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Schwebung, was bei Orgeln dieser Größe eher selten ist. Durch eine gewollte Verstimmung zu den anderen Registern wird ein streichender, lieblicher und leichter Klang erzeugt. Diesen als „himmlisch“ zu bezeichnen, ist nicht abwegig, denn aus dem Französischen übersetzt bedeutet Voix céleste nichts anderes als „himmlische Stimme“.

Wie bereits erwähnt, mangelt es der Orgel nicht an Grundstimmen. Für höhere Register ist da kaum noch Platz. Deswegen bedient man sich am Instrument in Nauendorf eines Tricks. An fast jeder Orgel gibt es sogenannte Koppeln. Mit diesen kann man die Klänge eines Manuals auf einem anderen spielen. Die Orgel in Nauendorf besitzt zusätzlich zu diesen Koppeln eine Oktavkoppel. Das bedeutet, dass die Register im Oberwerk auf dem Hauptwerk eine Oktave höher klingen. So ist es möglich, mit den vorhandenen Pfeifen auch höhere Klangfarben zu erzeugen.

Innenansicht der Nauendorfer Kirche

 

Hier noch einmal alle wichtigen Daten der Orgel im Überblick:

  • 2 Manuale (Hauptwerk, Oberwerk) und Pedal
  • 14 Register
  • Trakturen: Pneumatisch (Kegellade, durch kurze Wege aber sehr präzise spielbar)
  • Koppeln:
  • Hauptwerk an Pedal
  • Oberwerk an Pedal
  • Oberwerk an Hauptwerk
  • Oberwerk an Hauptwerk (Oktavkoppel)

 

Disposition:

Hauptwerk Oberwerk Pedal
Bordun 16‘ Lieblich Gedackt 8‘ Subbass 16‘
Principal 8‘ Salicional 8‘ Violon 16‘
Gambe 8‘ Geigenprincipal 8‘ Principal 8‘
Hohlflöte 8‘ Flauto amabile 4‘
Oktave 4‘ Voix céleste 8‘
Mixtur 3fach

 

Spieltisch

Klangbeispiele

Einspielung: Maximilian August

Flötenregister 8′ und 4′

Plenum

Voix céleste

Literatur

Die Orgel in St. Wenzel Nauendorf, https://www.orgel-information.de/Orgeln/n/na-ne/Nauendorf_St_Wenzel.html (21.06.2020).

Hans-Joachim Falkenberg, Richard Rensch, Zwischen Romantik und Orgelbewegung. Die Rühlmanns. Ein Beitrag zur Geschichte mitteldeutscher Orgelbaukunst 1842–1940, Lauffen 1995.

Links

St. Wenzel in Nauendorf

Video (Link)

Die Orgel – ungewohnte Einblicke in das Instrument des Jahres 2021

Das anschauliche Video von KMD Martina Pohl und Ulrike Großhennig bietet Schüler*innen die Möglichkeit, am Beispiel der Hildebrandt-Orgel in Sangerhausen in das Innere einer Orgel zu schauen, die Funktionsweise kennenzulernen, Fragen zu stellen und sich Detailwissen anzueignen. Das Video ist für schulische Zwecke genauso geeignet wie für Interessierte an diesem einzigartigen Instrument.

Materialien zum Download

Arbeitsblatt (PDF):

Die Orgel der Kirche St. Wenzel in Nauendorf (Schüler-Arbeitsblatt im Word-Format für Lehrer*innen auf dem Landesbildungsserver)

Powerpoint-Präsentation:

Von der Taste zum Ton (Eine kleine Führung durch die Orgel), Autorin: Friederike Heckmann

Von der Taste zum Ton (PDF-Datei)

Maximilian August 2020, letzte Aktualisierung Mai 2021

Der Beitrag entstand im Rahmen eines Seminars im Sommersemester 2020 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.