Komponist*innen

Schütz, Heinrich, in Weißenfels (1585–1672)

* 08. Oktober 1585 in Köstritz, † 06. November 1672 in Dresden

Heinrich Schütz, porträtiert von Christoph Spätner, um 1660

Biografie

Der 1585 im thüringischen Köstritz (heute Bad Köstritz) bei Gera geborene Heinrich Schütz verbrachte seine Kindheit und seinen Lebensabend in Weißenfels im heutigen Sachsen-Anhalt.

Im August 1590, im Alter von noch nicht einmal fünf Jahren, siedelte der junge Heinrich mit seiner Familie nach Weißenfels über, wo sein Vater, der Gastwirt Christoph Schütz, den Gasthof „Zum Goldenen Ring“ in der Saalstraße vom Großvater Albrecht Schütz übernommen hatte. Dort wuchs Heinrich zusammen mit seinen Geschwistern Johann, David, Christoph, Dorothea und Georg auf. Sein jüngerer Bruder Benjamin kam dort 1596, seine Schwester Justina 1598 zur Welt.

In diesen frühen Weißenfelser Jahren erhielt Heinrich Schütz vermutlich seine erste musikalische Ausbildung in der St. Marienkirche beim Kantor Georg Weber und bei seinem Onkel, dem Organisten Heinrich Colander.

St. Marienkirche in Weißenfels

 

Für Schützens Biografie entscheidend war die Begegnung mit dem Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel, der im Mai 1599 im Gasthof des Vaters übernachtete und vom Knabensopran des 13-jährigen Heinrich Schütz so begeistert gewesen sein soll, dass er den Eltern Euphrosina und Christoph Schütz anbot, Heinrich an der 1598 eingerichteten Kasseler Hofschule, dem Collegium Mauritianum, ausbilden zu lassen. Heinrich Schütz reiste daraufhin im August 1599 mit seinem Vater zur Sommerresidenz des Landgrafen in Rotenburg, wo er in die Obhut des Hofes von Hessen-Kassel übergeben wurde. Als Kapellknabe des Landgrafen musste Schütz kein Schulgeld wie die adeligen Knaben der Hofschule bezahlen, sondern hatte eine der begehrten Freistellen für Bürgerskinder inne. Er wurde zusammen mit Prinzen aus protestantischen (lutherischen wie calvinistischen) Fürstentümern des Heiligen Römischen Reiches und den Söhnen der Kasseler Hofbeamten erzogen und erhielt damit eine umfassende Bildung, u. a. in den Fächern Latein, Griechisch, Dialektik, Rhetorik, Mathematik, Naturwissenschaften, Jura, Französisch und Italienisch. Als Kapellknabe wurde ihm darüber hinaus auch eine musikalische Ausbildung zuteil.

Nach neunjähriger Schulzeit in Kassel begann Schütz 1608/09 ein Jurastudium in Marburg, das er aber abbrechen musste, um gemäß den Wünschen seines Gönners Landgraf Moritz von Hessen-Kassel von 1609 bis 1612 u. a. Komposition und Orgel bei Giovanni Gabrieli am Markusdom in Venedig zu studieren. Nach Gabrielis Tod verließ Schütz Venedig und kehrte nach Kassel zurück, wo er von 1613 bis 1615 als zweiter Hoforganist besoldet wurde. In dieser Zeit (1615) kaufte sein Vater Christoph Schütz den Gasthof „Zum Güldenen Esel“ in der Weißenfelser Nikolaistraße, den er in „Zum Schützen“ umbenannte. Eine Reliefplatte an der einzigen noch erhaltenen Wand des 1979 abgerissenen Gebäudes zeigt einen Dudelsack spielenden Esel (Link hier, vgl. auch den Musikkoffer-Artikel Sackpfeifen in Sachsen-Anhalt).

Sein beruflicher Weg führte den nunmehr dreißigjährigen Heinrich Schütz im Jahr 1615 nach Dresden, wo er zunächst befristet Ämter als Organist und „Director der Musica“ am kursächsischen Hof versah, bis er 1617 seine „Lebensstellung“ als Dresdner Hofkapellmeister antrat, die er bis zu seinem Tod 1672 innehaben sollte.

Heinrich-Schütz-Haus in Weißenfels

Musikhistorische Bedeutung

 Grundlage für die kompositorische Entwicklung von Schütz bildete für ihn zeitlebens seine Ausbildung bei Giovanni Gabrieli an San Marco in Venedig. In der Vorrede zu seiner Geistlichen Chormusik (Dresden 1648) schrieb Schütz, dass Gabrieli seinen Schülern beigebracht habe, „ein Geist- oder Weltlich Wercklein ohne den Bassum Continuum“ auszuarbeiten. Schütz wandte seine bei Gabrieli erworbenen Fertigkeiten bereits in seinem ersten Druckwerk, dem Primo libro de madrigali di Henrico Sagittario Allemanno (Venedig 1611) an. Ein zweites Madrigalbuch war demnach zwar von Schütz geplant, aber nicht realisiert worden, weil Schütz nach Gabrielis Tod (1612) Venedig alsbald verlassen hat. Seinen ersten großen Erfolg im deutschsprachigen Raum konnte er allerdings wenige Jahre später verbuchen, als er seine meist doppel-, gelegentlich auch tripelchörigen Psalmen Davids (Dresden 1619) veröffentlichte. Mit diesem Druck führt Schütz die venezianische Mehrchörigkeit in die protestantische Kirchenmusik ein. Nach den 26 großbesetzten Motetten dieses Druckes veröffentlichte Schütz vier Jahre später die kleinbesetzte Historia Der frölichen vnd Siegreichen Aufferstehung vnsers einigen Erlösers vnd Seligmachers Jesu Christi (Dresden 1623) nach einem beinahe einhundert Jahre alten Text von Johannes Bugenhagen auf Ostern (Wittenberg 1526). Die Gattung der Historia brachte Schütz in den 1660er-Jahren in Weißenfels zu einer letzten Blüte, bevor sie durch das dramatische Oratorium abgelöst wurde, welches seit Mitte des 17. Jahrhunderts seinen Siegeszug in der deutschen Musiklandschaft angetreten hatte.

Heinrich Schütz gilt nichtsdestoweniger als der erste deutsche Komponist von europäischem Rang und als der bedeutendste vor Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel. Schon um 1650 sei Schütz „für den allerbesten Teutschen Componisten gehalten“ worden, wie der Musikschriftsteller Wolfgang Caspar Printz in seiner Historische Beschreibung der edelen Sing- und Kling-Kunst (Dresden 1690) bemerkte. Printz gibt mit dieser Aussage wieder, was in den Druckschriften des 17. Jahrhunderts über Schütz zu finden war. Beispielhaft sei ein sechsstrophiges Gedicht des damals berühmten Dichters Johann Rist (1607–1667) genannt, welches dieser 1642 kurz vor Schützens Reise nach Dänemark verfasst hatte. Dort heißt es in der ersten Strophe:

SEh’ ich nicht kommen den trefflichen Singer
Schützen den Pfeiffen und Saiten=bezwinger/
Welcher in Teutschen und anderen Lande/
Mächtigen Fürsten so hertzlich gefält/
Daß er fast alle die Singer der Welt
Machet durch künstliches spielen zu schanden?

In der heutigen Zeit sind vor allem Schützens Dresdner Werke präsent, während das Weißenfelser Spätschaffen kaum mehr im Repertoire der Kantoreien und Chöre in Deutschland zu finden ist. Am häufigsten wird nach wie vor die Musica ad chorum sacrum, Das ist: Geistliche Chor-Music (Dresden 1648) aufgeführt. Vor allem die darin enthaltene Motette Verleih uns Frieden gilt heute als Standardwerk für jedes Vokalensemble im deutschsprachigen Raum mit Schwerpunkt auf der A-cappella-Musik.

Werke (Auswahl)

 In Schützens Weißenfelser Zeit ab 1657 fallen einige der großen geistlichen Kompositionen des Komponisten wie  die 1657 veröffentlichten Zwölf geistliche Gesänge (op. 13), die Revision des Becker-Psalters von 1627 (gedruckt in Dresden 1661), Die Sieben Worte unsers lieben Erlösers und Seeligmachers Jesu Christi (um 1662) und die Historia, Der Freuden- und Gnadenreichen Geburth Gottes (gedruckt in Dresden 1664). Hinzu kommen drei Passionshistorien (1663/64 Lukas-Passion, 1665  Johannes-Passion, 1666 Matthäus-Passion, aufgeführt an den letzten beiden Sonntagen der Passionszeit und am Karfreitag 1666) und schließlich von 1666 bis 1671 der sogenannte Schwanengesang.

Klangbeispiele

Becker-Psalter (1660)

Die Sieben Worte (1662)

Weihnachtshistorie (1664)

Schwanengesang (1666–1671)

Literatur (Auswahl)

Martin Geier, Kurtze Beschreibung Des (Tit.) Herrn Heinrich Schützens Chur-Fürstl. Sächs. ältern Capellmeisters geführten müheseeligen Lebens-Lauff, Dresden 1672. Faksimile-Nachdruck mit einem Nachwort von Dietrich Berke, Kassel u. a. 1972.

Martin Gregor-Dellin, Heinrich Schütz. Sein Leben, sein Werk, seine Zeit, München 1984.

Eberhard Möller, Friederike Böcher und Christine Haustein (Hrsg.), Jhr sollet Schatz und nicht mehr Schütze heissen. Gereimtes und Ungereimtes über Heinrich Schütz – Eine Quellensammlung 1613–1834 (= Köstritzer Schriften; 3), Altenburg 2003.

Werner Breig, Art. „Schütz, Heinrich“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 2., neubearbeitete Ausgabe, hrsg. von Ludwig Finscher, Personenteil Bd. 15, Sp. 358–409.

Henrike Rucker (Hrsg.), Mein Lied in meinem Hause. Katalog zur Ständigen Ausstellung des Heinrich-Schütz-Hauses Weißenfels, hrsg. im Auftrag des Weißenfelser Musikvereins „Heinrich Schütz“ e. V., Leipzig 2014.

Michael Heinemann, Heinrich Schütz(= Reihe Bildbiografie; 2), Altenburg 2017.

Links

Heinrich-Schütz-Haus
Heinrich Schütz Musikfest

Materialien zum Download

Werkanalyse:

Heinrich Schütz: “Da Pacem Domine” (SWV 465), Autor: Maximilian Renner (PDF-Datei zum Download)

Die Analyse wurde 2020 von Maximilian Renner im Rahmen seiner Seminararbeit „‚Seine Musik ist der Himmel auf Erden‘ – Heinrich Schütz in einer krisengeschüttelten Zeit“ im wissenschaftspropädeutischen Seminar „Barock“ im Leitfach Musik am Wolfram-von Eschenbach-Gymnasium in Schwabach angefertigt (Notentext der Motette als PDF-Datei verfügbar zum kostenlosen Download in der Petrucci Music Library / IMSLP  hier, Klangbeispiel hier).

Arbeitsblätter (PDF):

Schütz-Pfad durch Weißenfels (ein interaktiver Entdeckungspfad unter Einbeziehung der SWALK-App Soundwalks Heinrich Schütz; Lösungsblatt für Lehrer*innen sowie die Word-Datei des Schüler-Arbeitsblattes auf dem Landesbildungsserver)

Komponistenpersönlichkeiten in Sachsen-Anhalt (Schüler-Arbeitsblatt im Word-Format für Lehrer*innen auf dem Landesbildungsserver)

MR 2020