Musikalische Bräuche

Volkstanz-Traditionen

Tanzen ist Ausdruck von Lebensfreude, fördert Zusammengehörigkeit und Geselligkeit, erleichtert Kommunikation und Kontaktaufnahme. Seit jeher ist es ein wesentlicher Bestandteil menschlicher Gemeinschaften.

Volkstänze waren und sind eingebunden in die großen Feste im Jahreslauf, wie Schützen- und Erntefest oder Kirmes, in die feierlichen Versammlungen bestimmter Gemeinschaften/Berufsgruppen, etwa der Bergleute (Der lange Tanz), Schmiede (Schwertertanz), Böttcher (Böttchertanz) oder in familiäre Feierlichkeiten wie Hochzeit und andere Jubiläen.

Die meisten Tanzformen und ihre Melodien waren über ganz Deutschland verbreitet. Doch es gibt regionale Varianten und landschaftsgebundene Tänze. So erfreut sich die “Anderbecker Quadrille” noch heute großer Beliebtheit auf den Dorffesten in Anderbeck am Huy, die “Warnstedter Quadrille” ist nur aus Warnstedt bei Quedlinburg bekannt und die ebenfalls singuläre “Heimburger Tampête” wird immer noch auf dem Schützenfest von Schützen und Einwohnern in Heimburg bei Blankenburg getanzt.

Tanz der Tampête in Heimburg auf dem Schützenfest

 

Die Quadrille (frz. quadre = Viereck) gehört zur Familie der Kontertänze. Sie wird in der Regel von vier Paaren getanzt, die im Quadrat auf der Tanzfläche stehen. Die Tanzmelodie besteht aus vier Teilen mit unterschiedlichen Tanzformen, den sog. „Touren“, z. B. Stirnkreis, Kette, Mühle. Ein einfaches Durchspiel der Quadrille wird „Kehre“ genannt. Werden mehrere Kehren ausgeführt, so wird in jeder Kehre eine Tour verändert getanzt. Von der “Warnstedter Quadrille” sind bis zu 10 Kehren bekannt.

Video/Klangbeispiel

Einspielung der “Anderbecker Quadrille”, Instrumentalisten der Trachtengruppe Benneckenstein 2020

 

Die Tampête (frz. tempête = Sturm, Gewitter) ist ein Kolonnentanz, der vor allem zwischen 1800 und 1850 beliebt war und der aus vielen Dörfern in Mittel- und Norddeutschland überliefert ist. Anlage und Grundduktus der Melodie stimmen bei allen Tampête-Tänzen überein, der Variantenreichtum ist jedoch groß. Für diesen Gemeinschaftstanz erfolgt die Aufstellung in drei Gruppen mit je zwei Stirnreihen, in denen sich jeweils zwei Paare gegenüberstehen. Die Tanzfiguren sind überall die gleichen: Kreis, seitliches Schassieren der Paare, Mühle, Durchgehen zur nächsten Reihe.

Die “Stolberger Tampête” wird der französischen Bezeichnung gerecht, sie ist sehr temperamentvoll. Über vierhunderte Jahre alt, gilt sie als Stolberger Nationaltanz und wurde bis etwa 1920 von der Bevölkerung getanzt.

Aufstellung Tampête

Klangbeispiel

Tampête aus Stolberg im Harz (Kapelle Harzmusikanten, Ltg. H. Hennig 1997)

 

Im Gegensatz zu den beiden vorstehenden landschaftsgebundenen Volkstänzen waren die Melodien des “Mansfelder Kesselflickers”, eines Berufstanzes, und des “Benneckensteiner Trioletts” im deutschsprachigen Raum weit verbreitet. Es handelt sich um Reihentänze. Ihre Besonderheit liegt in der Aufstellung: Es stehen sich in zwei Stirnreihen jeweils zwei Tänzer mit je zwei Tänzerinnen (Trios) gegenüber. Das Triolett, z. B. auch im Weserraum bekannt, wird in Benneckenstein nach einer eigenen Choreographie noch heute von der Trachtengruppe getanzt: Stirnreihe, Stirnkreis, Kette.

Aufstellung Triolett

Klangbeispiel

Benneckensteiner Triolett (Musikanten der Heimatgruppe „Harzer Roller”, Harlingerode, 1965)

 

Der “Vogelsteller” ist aus Harsleben bei Halberstadt überliefert. Es ist eine Polka, auch unter dem Namen „Fingerschottisch“ weit verbreitet. Der Tanz ist sehr ausgelassen und bringt nicht nur Freude und Frohsinn der Tanzenden zum Ausdruck, sondern auch eine gewisse Schalkhaftigkeit und Übermut. Dies ist aus dem gewählten Klangbeispiel gut herauszuhören.

Während der 1. Tour stehen die Paare im Kreis, sind einander zugewandt, singen die nachfolgenden beiden Strophen, stampfen mit den Füßen auf, klatschen in die Hände und drohen sich mit den Fingern. Dann folgt nach einem lang gezogenen Pfiff die  2. Tour, die als Polka im Kreis getanzt wird. Die Wiederholung (2. Kehre) entspricht der ersten Kehre.

1. Str.
Und mit den Füßchen trapp, trapp, trapp,
und mit den Händchen klapp, klapp, klapp.
Ich bin dein, du bist mein,
morgen soll die Hochzeit sein.

2. Str.
Und auf der Hochzeit tanzen wir,
ja, und mein Vater spielt Klavier,
spielt Klavier, spielt Klavier.
Auf der Hochzeit tanzen wir.

Klangbeispiel

Harsleber Vogelsteller (Halberstädter Bauernkapelle, Ltg. Fritz Elzner, Tanzkreis der Trachtengruppe Harsleben 1953)

 

Die weit verbreitete Kreuzpolka war in Harsleben in die Erntebräuche eingebettet. Auf dem Erntefest überreichte eine der Mägde dem Bauern die Erntekrone mit folgendem Spruch:

Wei koomt jetz taun Ehrdanz,
drum bring ek dek den Ähr´nkranz.
Harrn we mehr efun´n,
harrn we mehr ebun´n,
war´t besser jera´n,
konn´n we mehr noch la´n,
so manjen Hispel, so manjen Wispel,
for de Fruhe in´n Schapp,
for uns in´n Napp.
Disser Kranz is nich von Dießeln un Doorn,
hei is von Blaum´n un von Koorn.
Nu stimmet alle midde in
un lat uns alle lustig sien!

Dann bestritten beide die Kreuzpolka als Paartanz.

Das letzte Fuder mit Erntekrone

Video

Kreuzpolka als Paartanz (Trans World Video Ronald Langer, 2009)

Noten

Volkstanz: Anderbecker Quadrille (inkl. Hinweisen zur Tanzausführung)

Volkstanz: Stolberger Tampête (inkl. Hinweisen zur Tanzausführung)

Volkstanz: Harsleber Vogelsteller (inkl. Hinweisen zur Tanzausführung)

Literatur

Lutz Wille, Der Harz in Lied, Tanz, Musik und Mundart, Clausthal-Zellerfeld 2002.

Lutz Wille, Volkstänze aus dem Harzgebiet – Audio-CD/Tanzbeschreibungen, Heimatverein Hausneindorf e. V. 2020. (Bezug über www.harzklub.de)

Link

Margrit Vogt, Alte niederdeutsche Volkstänze/Tanzschlüssel/Terminologie/Choreographie

Lutz Wille 2020