Musikleben

Zither-Reinhold

Reinhold Lohse, * 12. Oktober 1878 in Halle, † 06. November 1964 in Halle

Zither-Reinhold-Brunnen (Ausschnitt)

Biografie

Zither-Reinhold hieß mit bürgerlichem Namen Reinhold Lohse und war ein Straßenmusiker und bekanntes Stadtoriginal in Halle. Er wurde am 12. Oktober 1878 im halleschen Stadtteil Glaucha geboren und am 15. Dezember desselben Jahres in der Marktkirche getauft. Sein Vater, Herrmann Lohse, war Gürtler von Beruf und in der Verarbeitung von metallischen Gerätschaften ausgebildet. Die Mutter stammte vermutlich aus Passendorf. Kurz vor der Geburt des ersten Kindes heiratete das Paar 1874. Die Familie lebte in einfachen, aber gesicherten Verhältnissen. Insgesamt wurden ihr im Laufe der Jahre elf Kinder geboren, von denen einige bereits kurz nach der Geburt starben. Reinhold war das dritte Kind.

Für Reinholds Leben entscheidend sollte im Alter von neun Jahren ein Einbruch ins Eis während eines Schulausflugs zu den Passendorfer Teichen werden. Nach diesem Unfall erkrankte er an Unterleibstyphus und blieb von da an geistig zurück. Als 14-Jähriger bekam Lohse von seinen Eltern eine Zither geschenkt. Ab wann genau er als Straßenmusikant zum Unterhalt der Familie beitrug, weiß man nicht. Nach dem Tod beider Eltern im Jahr 1904 lebte er bei Verwandten, zunächst bei einer seiner Schwestern, dann bei einer Nichte. In seinem Leben gab es häufige Umzüge innerhalb Halles – Erhard Wenzel zählt in seiner Biografie 14 Wohnsitze auf.

Als Straßenmusiker zog Lohse eine Zeitlang mit einem Leierkasten umher. Danach – vermutlich war der Leierkasten irreparabel beschädigt – griff er wieder zur Zither. Mit diesem Instrument prägte er dann jahrzehntelang das Stadtbild von Halle. Die Hallenser mochten den kauzigen, freundlichen Mann, gaben ihm Geld und luden ihn häufig auf einen Kaffee oder etwas zu essen ein. Sie kümmerten sich um ihn und beschützten ihn. Zwar wurde er nicht selten von Kindern, zu denen er generell ein gutes Verhältnis hatte und die er liebte, geärgert und geneckt, doch wusste er sich immer zu wehren. Gerüchte, dass seine Schwester und Nichte durch seine Einnahmen reich geworden seien, lassen sich nicht bestätigen.

Reinhold Lohse starb am 6. November 1964 mit 86 Jahren an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Er wurde unter großer Anteilnahme der Bevölkerung zu Grabe getragen. Auch Halloren waren bei dem Begräbnis anwesend, da ein angeheirateter Onkel ein Hallore namens Frosch gewesen sein soll.

Zither-Reinhold-Brunnen in Halle

Zither-Reinhold als Musiker

Lohse hatte ein umfangreiches musikalisches Repertoire, wie ein Zeitzeuge berichtete. „Reinhold konnte nicht nur Schlager, Volkslieder, die Nationalhymne und Kirchenmusik, er kannte auch die Texte von Gedichten und Liedern auswendig.“ (Wenzel 2006, S. 52) Er selbst hielt sich für einen sehr guten Musiker, was er laut Zeitzeugenberichten auch verbal zum Ausdruck brachte: „Glingt das nicht scheene?“, so konnte er mitten im Vortrag seine Zuhörer fragen (Wenzel 2006, S. 53). Vielfach überliefert ist, dass Reinhold es mit den Jahreszeiten nicht so genau nahm und beispielweise auch Weihnachtslieder im Sommer spielte.

Reinhold Lohse war sehr fromm und besuchte regelmäßig Gottesdienste in verschiedenen Kirchen. Der Pastor war für ihn die entscheidende übergeordnete Instanz. Erhalten ist die Tonaufnahme von einem Interview, das Pfarrer Wilding von Sankt Georgen im Jahr 1957 mit Zither-Reinhold geführt hat. In der Transkription dieses Interviews – Lohses Sprechweise ist akustisch nur schwer verständlich – gibt dieser an, dass er seine Zither nur etwa einmal im Jahr stimmen ließ. Er selber konnte es wohl nicht. Entsprechend verstimmt erklingt das Instrument auch auf dieser Aufnahme.

Zu Reinholds Lieblings-Sitzecken in Halles Innenstadt gehörten die Eingangspassage des Damenbekleidungshauses Löwendahl (heute Drogerie Müller), unter den Arkaden des alten Ritter-Kaufhauses, auf der Treppe hinter dem Ratshof, vor Hollenkamp in der Großen Ulrichstraße, vor dem Eselsbrunnen und vor dem Händel-Denkmal (Wenzel 2006, S. 123/124).

Im Jahr 2002 wurde in der Leipziger Straße in Halle ein Brunnen zu Ehren von Zither-Reinhold errichtet. Nach einem Entwurf des langjährigen Professors an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein, Wolfgang Dreysser, zeigt der Brunnen zwei Bronzefiguren. Einem überlebensgroßen idealisierten Zither-Reinhold, lächelnd und in aufrechter Haltung, kauert zu Füßen der „realistische“ Straßenmusikant Reinhold Lohse über seine Zither gebeugt, wie ihn die Hallenser jahrzehntelang erlebt hatten.

Die hallesche Folk-Gruppe „Bube, Dame, König“ veröffentlichte in Erinnerung an Zither-Reinhold 2016 das Lied Stille Nacht im August zum Text des Lyrikers Thomas Kolitsch auf ihrem Album Winterländlein.

Klangbeispiele

Das Zither-Reinhold-Lied von „Bube, Dame, König“

Harry-Lime-Thema aus dem Film Der dritte Mann (Anton Karras, Zither)

Literatur

Erhard Wenzel, Zither-Reinhold, Halle 2006.

Links

Zither-Reinhold auf der Website der Stadt Halle (Saale)

Erinnerung an ein hallesches Original – zum 50. Todestag von Zither-Reinhold, Halle Spektrum (mit Foto)

Zeitungsartikel: Denkmal für Zither-Reinhold

Stille Nacht im August (Text)

Anregungen für den Unterricht

Straßenmusiker in Halle

Zither-Reinholds „Sitzecken“ in Halle heute

Zither-Reinhold-Lied singen

Die Zither als Instrument

SM 2017