WOMEN IN JAZZ in Halle (Saale) ist ein Festival für den zeitgenössischen Jazz. Die besondere Zielstellung ist die Präsentation von Jazzprojekten, deren künstlerische Leitung in der Verantwortung einer Jazzmusikerin liegt. Das Festival hat Vorbilder in den USA, ist in Europa aber mit dieser speziellen Ausrichtung einzigartig. Neben seiner Einzigartigkeit im europäischen Kulturangebot ist WOMEN IN JAZZ auch ein wichtiger Beitrag für die Geschlechtergerechtigkeit in Kultur und Kunst.
Das erste Festival fand im Jahr 2006 statt. Dabei hat es die rasante Entwicklung des Frauenjazz aufgenommen und mitgestaltet. Erst nach der Jahrtausendwende begannen Musikerinnen die internationale Jazzszene zu erobern. Heute prägen sie diese musikalische Stilrichtung entscheidend mit, egal ob mit unnachahmlichen Stimmen im Vokaljazz oder interessanten musikalischen Impressionen im Instrumentaljazz. Ein Archiv mit allen Künstlerinnen und Künstlern, die bisher am Festival teilgenommen haben, ist auf der Festival-Website zu finden.
WOMEN IN JAZZ wurde bereits im Jahr 2012 als „Ort der Ideen“ im Rahmen der deutschlandweiten Initiative „Land der Ideen“ ausgezeichnet. Im Jahr 2015 erhielt das Festivalprojekt EURASIEN UNITY (Ltg. Caroline Thon) den WELTMUSIKPREIS RUTH. In Mitteldeutschland ist WOMEN IN JAZZ längst zu dem kulturellen Highlight im Bereich der zeitgenössischen Musik geworden. Mehr als 120 000 Gäste haben die Veranstaltungen des Festivals in den vergangenen 16 Jahren besucht.

Das 17. Festival WOMEN IN JAZZ (29. April bis 15. Mai 2022) lud nach einer virtuellen Veranstaltung im Jahr 2021 wieder live nach Halle (Saale) ein. Konzerte fanden auch in Merseburg, Bad Lauchstädt und Magdeburg statt.
Corona hat den Jazz beeinflusst. Es ist die besondere Kreativität und Energie, die Jazzkonzerten innewohnt, die dem Publikum gefehlt hat. Ganz egal, ob man Musiker*innen von Weltruhm oder die sogenannten Jungen Wilden erlebt, der Verlust des Jazz mit seiner grenzenlosen innovativen Gestaltungskraft ist zum Spiegel der Zeit geworden. Es hat sich im Jazz – wie in der gesamten Gesellschaft – etwas angestaut, das, für den Jazz gesprochen, seine Bühne und sein Publikum finden muss. Gerade in der Pandemiesituation wird deutlich, dass kein anderes Musikgenre so von der Interaktion mit dem Publikum lebt wie der Jazz. Trotzdem hat auch Corona die Entwicklung nicht aufgehalten. Die Jazzszene ist weiblicher geworden und besonders junge, engagierte Jazzmusikerinnen beleben sie mit ihrer Power und Innovationskraft. Das Festival machte das Angebot, den Jazz in seiner ganzen Vielfalt voller Improvisation und farbenfroher Harmonik wieder live zu erleben.
Das Programmangebot unter dem Titel NEW JAZZ NOW, das die Vielfalt der einzelnen Formate innerhalb des Festivals widerspigelt, gestalteten Jazzmusiker*innen aus Kanada, England, Frankreich, Schweden, Serbien, der Schweiz, Russland, Dänemark, Mexiko, den Vereinigten Staaten von Amerika und aus Deutschland (Flyer 2022 als PDF-Datei zum Download s. u.).
Der Vokalbereich war mit Sona Jobarteh (GB) und Melanie Charles (USA) hervorragend besetzt. Das Aufeinandertreffen der Ikonen des Jazzgesangs Cecilie Norby (DK) und Pascal von Wroblewsky (DE) unter dem Titel TWO JAZZ DUOS IN CONCERT wurde zu einem Gipfeltreffen des Jazz. Die Schweizer Jazzsängerin und Komponistin Fiona Grond hatte 2021 den Wettbewerb NEXT GENERATION VIRTUELL gewonnen und stellte nun auch live ihr feinsinnig experimentell geprägtes Projekt INTERSPACE in Halle vor. Zusätzlich in das Programm aufgenommen wurde aus aktuellem Anlass die ukrainische Sängerin Ganna Gryniva. Die Sängerin und Schauspielerin Jasmin Tabatabai vertrat mit JAGD AUF REHE den deutschen Jazz und die junge Szene war durch den Junior Jazz Chor Freiburg vertreten.

Der instrumentale Jazz war gleichwertig zum Vokaljazz im Programm präsent. Hier wird besonders deutlich, wie dynamisch sich die internationale Frauenjazzszene in den letzten 20 Jahren entwickelt hat. Mit der kanadischen Jazztrompeterin Bria Skonberg und der britischen Saxofonistin Camilla George standen international erfolgreiche junge Jazzinstrumentalistinnen auf der Festivalbühne. Die serbische Jazzsaxofonistin Jasna Jovicevic erforschte mit dem Projekt FLO VERTICAL das Zusammenspiel mit einem klassisch besetzten Streichquartett. Die SHEroes, ein brillant spielendes Instrumentalsextett, formiert aus Jazzmusikerinnen aus fünf Ländern und geleitet von der amerikanischen Pianistin Monika Herzig, war ein weiterer Höhepunkt. Barbara Dennerlein, Deutschlands wohl bekannteste Jazzorganistin, vertrat den deutschen Jazz. Die junge Jazzszene war mit den beiden Jazzpianistinnen Johanna Summer (Projekt SCHUMANN KALEIDOSKOP) und der in Russland geborenen, heute in Leipzig tätigen Olga Resznischenko vertreten.
JAZZ FÜR KIDS, das Angebot für Schulen, Kitas & Familien, wurde fortgesetzt. Das kostenfrei erlebbare Open Air, der SAALEJAZZ, präsentierte sich an und auf der Saale mit den SWINGIN’ HERMLINS, der Uni-Bigband Halle, dem HOT STRING CLUB u. v. a. Ein Jazzgottesdienst, jazzige Carillonkonzerte und Stadtrundgänge & Ausstellungen gehören zum ständigen Angebot.

Zum 3. Mal vervollständigte das Projekt WOMEN IN JAZZ NEXT GENERATION das Festivalprogramm. Der junge Jazz boomt. Junge Jazzmusikerinnen haben die Musikhochschulen absolviert, drängen auf die Jazzbühnen oder entwickeln ihre eigene Community. Das Festival bietet der jungen Szene eine besondere Plattform. Unter dem Titel THE NEXT GENERATION lädt das Festival die junge europäischen Frauenjazzszene nach Halle ein und präsentiert die junge Szene weltweit virtuell (NEXT GENERATION VIRTUELL – Wettbewerb mit Publikumsentscheid und Vergabe eines Jazzpreises; NEXT GENERATION WORKSHOP – dreitägige Academy für Komposition und Arrangement unter der Leitung der Jazzpianistin und Komponistin Monika Herzig (USA); NEXT GENERATION WORKSHOP REGIONAL in Form eines JAZZ GIRLS DAY).
Klangbeispiel
Reut Regev in Concert, Live-Mitschnitt des Konzerts im Gesellschaftshaus in Magdeburg vom 11. Mai 2021
Links
WOMEN IN JAZZ auf der Website des Europe Jazz Network
Women in Jazz – 7. Internationales Jazzfestival in Halle – Eine Dokumentation (2012)
Materialien zum Download
Ulf Herden/SM 2022