Musikleben

Musikalische Gesellschaft Quedlinburg

Quedlinburg im Jahre 1782, gezeichnet von C. C. Voigt (Norden ist links)

 

Die Musikalische Gesellschaft in Quedlinburg gründete sich am 19. Mai 1759 und beförderte als geschlossene Gemeinschaft von Personen aus dem wohlhabenden Bürgertum bis zu ihrem Ende 1945 die Musikkultur in Quedlinburg. Sie verschrieb sich der Musikpflege und -ausübung und schloss damit eine Lücke im städtischen Musikleben der damaligen Zeit, in der Musik vorwiegend im Umfeld des Adels als Hofmusik oder im kirchlichen Rahmen zu hören war. Von Anfang an hatte die Musikalische Gesellschaft einen elitären Anspruch. Ihre Mitglieder waren Kammerdirektor, Hofrat oder Apotheker. Allerdings findet sich in den umfangreichen Akten der Gesellschaft, die in den Städtischen Museen Quedlinburg aufbewahrt werden, als Antragsteller auf Aufnahme auch der „fürstliche Koch Herr Radecke aus Ballenstedt, der Gesellschaft als guter Flötenspieler bekannt“ (zit. n. Jahn 2010, S. 23).

Regelmäßig lud die Gesellschaft zu Musizierabenden des gesellschaftseigenen Collegium musicum  ein, welche als „Concerte“ bezeichnet wurden. Diese waren aber nicht öffentlich, sondern nur Mitgliedern und deren Angehörigen vorbehalten. Hierin unterschieden sich die Quedlinburger Veranstaltungen von den bürgerlichen Konzertreihen Johann Heinrich Rolles in Magdeburg, die etwa zur gleichen Zeit ins Leben gerufen wurden, aber offen für alle waren. Die Quedlinburger Musikalische Gesellschaft brachte es zuletzt auf bis zu 350 Personen, die zu den Konzerten Zutritt hatten.

Interessant ist das strenge „Reglement“, das sich die Gesellschaft bereits bei der Gründung 1759 auferlegte und das schon zu diesem Zeitpunkt in schriftlicher Form vorlag. Darin heißt es u. a.: „Insbesonderheit soll aber während der Musik alles laute reden und das mindeste Geräusch sorgfältigst vermieden werden, wiedrigenfalls ein Contravenient zu 2 gr. Strafe verfället, und bleibt der Gesellschaft um so mehr vorbehalten solche willkürlich zu erhöhen, wenn durch einen dergleichen Vorfall die genaue Anhörung der Musik gestöhret werden sollte, da hierdurch die Haupt-Absicht derselben gehindert werden würde.“ (Reglement für die musikalische Gesellschaft in Quedlinburg den 19ten Maji Anno 1759, in: Akten der Konzertgesellschaft, Städtische Museen Quedlinburg, Sign. V 3182/S, zit. n. Jahn 2010, S. 20)

Des Weiteren ist dort zu lesen: „Die Haupt-Absicht bestehet einzig und allein in Übung und Anhörung der Musik. Dannenhero sind bey denen bestimmten musikalischen Versammlungen der Gesellschaft zugleich alle übrigen Arten des Zeitvertreibes, als Gewinn und andre Spiele, Schmausereyen und dergleichen ausdrücklich und auf das genaueste untersagt, auch geschiehet das etwaige Tobackrauchen nur in einem dazu angewiesenen Neben-Zimmer, nicht aber auf dem musikalischen Saale bey 1 gr. Strafe.“ (ebd.)

Was die „Schmausereyen“ betrifft, scheint schon recht bald eine Aufweichung der Regel erfolgt zu sein, wie in der Festrede zum 125. Stiftungsfest im Jahr 1884 berichtet wurde. Demnach wurden schon einige Jahre nach Gründung „nach der Musik kalte Küche und ein Glas Wein genossen, was sich jeder selbst mitbrachte“ (in: Akten der Konzertgesellschaft, s. o.).

Hospital St. Annen – Vorderhaus am Steinweg

 

Waren die „Concerte“ in Quedlinburg anfänglich noch wöchentlich angesetzt, fanden sie seit 1785 nur noch im Winter statt, zunächst wöchentlich, ab 1794 vierzehntägig. Musizierende waren sowohl Mitglieder der Gesellschaft selbst – z. B. war der Gründer und Kammerdirektor Wolff ein hervorragender Geiger – als auch „eingekaufte“ externe Musiker. Ort der Veranstaltungen (Konzerte und Gesellschaftsabende) waren ab Januar 1761 mehrere angemietete Räume im zweiten Stockwerk des Hospitals St. Annen in Quedlinburg, darunter auch ein Konzertsaal.

Zur Musik, die bei diesen Konzerten erklang, ist wenig bekannt. Erhalten sind aber Listen der gesellschaftseigenen Notenbestände, die vorwiegend Notenschenkungen von Mitgliedern waren. So findet sich in den „Protocolla Societatis Musicae Quedlinburgensis“ (Städtische Museen Quedlinburg) der Vermerk einer Notenschenkung eines gewissen Herrn Seiler vom 17. Oktober 1761. Es handelt sich um Noten von Sinfonien der Komponisten Franz Xaver Richter, Johann Gottfried Seifert, Georg Christoph Wagenseil, Leopold Mozart, Baldassare Galuppi und Carl Friedrich Abel. Neben Notenmaterial besaß die Gesellschaft auch eigene Instrumente, vermutlich ebenfalls aus Schenkungen.

Das Collegium musicum Quedlinburg, hervorgegangen aus der Musikalischen Gesellschaft, existiert heute noch als eingetragener Verein.

Literatur

Joachim Jahn, “250 Jahre Collegium musicum Quedlinburg – ein historischer Abriss”, in: Festschrift zum 250. Gründungsjubiläum, hrsg. von Joachim Jahn, Quedlinburg 2009.

Joachim Jahn, “Die musikalische Gesellschaft in Quedlinburg – Ausdruck bürgerlichen Engagements”, in: Bürgerliches Musizieren im mitteldeutschen Raum des 18. Jahrhunderts (= Beiträge zur Regional- und Landeskultur Sachsen-Anhalts, H. 53), hrsg. von Kathrin Eberl-Ruf, Carsten Lange, Annette Schneider, Halle (Saale) 2010, S. 19–26.

Link

Collegium musicum Quedlinburg e. V.

Anregungen für den Unterricht

Im „Reglement“ der Musikalischen Gesellschaft Quedlinburg von 1759 herrscht teils ein drastischer Ton. Besonders zum Verhalten während der Konzerte wurden unter Strafandrohung bei Zuwiderhandlung regelrechte „Gesetze“ formuliert.

Mögliche Arbeitsaufgaben: Welche Verhaltensweisen während der Konzerte waren laut Reglement „verboten“? – Wie unterscheiden sich diese Vorgaben von heutigen Konzertveranstaltungen?

Dabei kann differenziert werden zwischen klassischen Konzerten und solchen aus dem Rock- und Popbereich. Eigene Erfahrungen der Schüler können in die Betrachtungen einfließen. Nach einem gemeinsamen Konzertbesuch kann eine Art „Konzertprotokoll“ durch die Schüler erstellt werden, das auch das Publikumsverhalten (während des Konzerts, in den Pausen bzw. vor und nach der Aufführung, gewählte Kleidung etc.) mit einschließt.

SM 2017