Musikleben

Sängerschaft Fridericiana

Die Sängerschaft Fridericiana wurde am 27. April 1866 als Akademischer Gesangverein (AGV) „Fridericiana“ gegründet. Der Name wurde nach der halleschen Universität gewählt, welche damals noch „Vereinigte Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg“ hieß. Im selben Jahr noch wurde die bis heute für Studentenverbindungen typische Mütze in den Farben Blau-Weiß-Blau eingeführt. Das um die Brust getragene gleichfarbige Band wurde 1896 ergänzt. 1899 erwarb die Fridericiana das Haus am Jägerplatz 14 in Halle, das ehemalige Café „Barbarossa“, wo sich fortan das Verbindungsleben abspielte und welches den Mitgliedern ein Zuhause bot. 1919 wurde der Dachverband „Deutsche Sängerschaft“ gegründet, in welchem neben der Fridericiana zahlreiche weitere Sängerschaften Deutschlands organisiert sind. Diesen Dachverband gibt es auch heute noch, in ihm sind gegenwärtig 16 aktive Sängerschaften organisiert. Im Wintersemester 1935/36 löste sich die Fridericiana freiwillig selbst auf, um einer Umwandlung in eine NS-Kameradschaft zu entgehen. Zum Kriegsende 1945 ging das Haus mitsamt seinem Inventar verloren. Nach dem Krieg gründeten die Mitglieder dreier Sängerschaften, darunter auch der Fridericiana, 1952 die Sängerschaft Hohentübingen, welche die Tradition der Fridericiana weiter fortführte, so dass der Aktivenbetrieb in Halle ein Jahr nach der Wiedervereinigung 1991 wieder aufgenommen werden konnte. 1994 gelang es, das alte Haus zurückzubekommen, in welchem die Fridericiana bis heute ansässig ist.

Verbindungshaus am Jägerplatz 14 in Halle

 

Als Sängerschaft hat sich die Fridericiana der Förderung der musischen Bildung, insbesondere der Pflege des studentischen Liedgutes, verschrieben. Die traditionellen Studentenlieder sind im sog. „Allgemeinen Deutschen Kommersbuch“ gesammelt, die Lieder werden im Chor zu Konzerten oder auf den traditionellen studentischen Feiern, den sog. „Kneipen“, gesungen. An die Mitglieder der Sängerschaft wurden früher hohe Ansprüche gestellt. Neuzugänge, sog. Füxe, mussten sich einem Vorsingen unterziehen, um ihr gesangliches Können unter Beweis zu stellen. Dies ist heute nicht mehr der Fall, eine musikalische Vorbildung ist kein Aufnahmekriterium. Die Mitglieder finden sich wöchentlich in einer Chorprobe zusammen, die Füxe (Neumitglieder) erlernen musikalische Grundlagen in wöchentlichen Unterrichtsstunden, sog. Fuxenstunden. Zum Aktivenleben auf dem Verbindungshaus zählen neben der musikalischen Aktivität auch gemeinsame Unternehmungen, Fahrten und Feiern. Bei allen Sängerschaften in Deutschland wird neben dem Gesang auch die Tradition des akademischen Fechtens gepflegt, sie alle sind fakultativ schlagend. Das bedeutet, dass das Fechten von jedem Mitglied erlernt werden muss. Jedoch ist jedem – im Gegensatz zu pflichtschlagenden Verbindungen – freigestellt, eine sog. Mensur, einen Fechtkampf mit scharfen Waffen, zu fechten.

Die Sängerschaft selbst hat keine religiöse oder politische Ausrichtung, so sind auch ihre Mitglieder weder an politische noch an religiöse Ziele gebunden. Sie bekennt sich zum freiheitlich-demokratischen Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und hat sich zur Förderung des Zusammenlebens in ihrer Satzung dem Toleranz- und Freiheitsprinzip verschrieben. Auch die Herkunft spielt für eine Mitgliedschaft in der Sängerschaft keine Rolle.

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Vollwappen der Fridericiana Halle

 

Der Dachverband Deutsche Sängerschaft organisiert regelmäßig auch deutschlandweite Fahrten, bei denen alle Sängerschaften zu gemeinsamen Konzerten und Feiern zusammenkommen.

Allgemeine Informationen zu Sängerschaften in Deutschland

Studentenverbindungen sind heute vielen ein Begriff, welcher bei einigen das Bild feucht-fröhlicher amerikanischer Studentenfeiern hervorrufen dürfte, wie es gegenwärtig häufig in diversen Filmen gezeigt wird. Das hierzulande übliche Verbindungswesen hat mit den amerikanischen fraternities jedoch kaum etwas gemein. Eine Gemeinsamkeit ist jedoch, dass sie auf eine jahrhundertealte Tradition zurückblicken können. Im 18. Jahrhundert bildeten sich an deutschen Universitäten Studentenorden, aus denen später die sog. Corps hervorgingen. Diese hatten das Geheimbundprinzip abgelegt und verfolgten nunmehr das Ziel, Studenten in Freundschaft zu verbinden, sich gegenseitig zu unterstützen sowie gemeinsam zu feiern. Es wurden erste Regeln zum akademischen Verhalten, zum Feiern sowie zum Fechten aufgestellt. Viele dieser Regeln haben bis heute als sog. Comments in den Corps überdauert und wurden von später aufkommenden Verbindungsarten übernommen.

Zu den wohl bekanntesten Arten des weitläufigen Spektrums der deutschsprachigen Studentenverbindungen zählen die Burschenschaften, welche auf die in Jena nach den Befreiungskriegen 1813–1815 gegründete Urburschenschaft zurückgehen. Ohne diese hätte es die heutigen deutschen Nationalfarben sowie das Hambacher Fest 1832 nicht gegeben. Die Burschenschaften hatten sich ein vereinigtes Deutschland zum Ziel gesetzt und verbreiteten sich schnell über den gesamten deutschsprachigen Raum. 1819 wurden selbstverwaltete studentische Vereinigungen wie Corps und Burschenschaften durch die Karlsbader Beschlüsse verboten, jedoch ohne große Effizienz. Die Popularität der Verbindungen wuchs stets weiter, 1929 waren beinahe 60% aller Studenten korporiert. Die Vielfalt der Korporationsarten war und ist bis heute groß: Neben Corps und Burschenschaften existieren Turnerschaften, Sängerschaften, Landsmannschaften, Ruderverbindungen, Jagdverbindungen, christliche Verbindungen etc. Jeder Verbindungstyp unterscheidet sich von den jeweils anderen in vielerlei Hinsicht, gemeinsam ist ihnen jedoch das „Lebensbundprinzip“. Man ist ein Leben lang Mitglied einer Verbindung und unterstützt nach dem Studium den entsprechenden Bund als „Alter Herr“ weiter. Das Verbindungswesen zog viele berühmte Persönlichkeiten an, zu den berühmtesten Verbindungsstudenten zählen Kaiser Wilhelm II., Otto von Bismarck und Karl Marx, aber auch Musiker wie Robert Schumann oder Richard Wagner. Der Komponist und ehemalige hallesche Universitätsmusikdirektor Robert Franz war als „Alter Herr” hochgeschätztes Mitglied des damaligen Studentischen Gesangvereins Fridericiana, aus dem die Sängerschaft Fridericiana hervorging.

Im Dritten Reich wurden die Korporationen gleichgeschaltet, die meisten von ihnen wurden aufgelöst, die verbliebenen in Kameradschaften organisiert. Nach dem Krieg konnten die Verbindungen zumindest in Westdeutschland den Aktivenbetrieb wieder aufnehmen, in der DDR waren sie jedoch verboten. Nach der Wende kehrten viele Verbindungen wieder in ihre alte Heimat zurück. In Halle sind heute etwa 10 Verbindungen aktiv, eine davon ist die Sängerschaft Fridericiana.

Quellen: Die Ausführungen basieren auf der Internetpräsenz der Fridericiana (s. Link unten) und den Aussagen von Privatpersonen.

Klangbeispiele

Studentenlieder:

Gaudeamus igitur

Studentenlieder Potpourri (Meistersextett 1936)

Links

Studentische Sängerschaften Fridericiana und Ascania

Deutsche Sängerschaft

Materialien zum Download

Arbeitsblatt (PDF):

Sängerschaft Fridericiana (Lösungsblatt für Lehrer*innen sowie die Word-Datei des Schüler-Arbeitsblattes auf dem Landesbildungsserver)

Sebastian Koerdt 2017

Der Beitrag entstand im Rahmen eines Seminars im Sommersemester 2017 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.