* 04. März 1939 in Weißwasser, † 08. August 2009 in Halle (Saale)
Biografie
Hans Jürgen Wenzel war Komponist, Dirigent und Hochschullehrer. Er studierte zunächst in Rostock Violine, ehe er 1957 an die Berliner Musikhochschule wechselte, um Dirigieren und (bei Ruth Zechlin) Komposition zu studieren. Von 1965 bis 1988 war Wenzel als Musikalischer Leiter und Dirigent an verschiedenen Theatern und Orchestern in Halle (Saale) tätig, zuletzt als Dirigent der Halleschen Philharmonie.
1976 gründete er die Kinderkomponistenklasse Halle-Dresden, die er bis 1999 leitete und in der Kinder und Jugendliche im kreativen kompositorischen Umgang mit Neuer Musik begleitet wurden und gemeinsam mit professionellen Komponisten und Musikern ihre ersten eigenen Stücke erarbeiteten.
Seit 1988 arbeitete Hans Jürgen Wenzel freischaffend als Komponist und Dirigent in Berlin und Halle, sein besonderes Engagement galt der Neuen Musik. Er war Leiter von Spezialensembles für Neue Musik, z. B. dem „Ensemble Konfrontation“ Halle sowie den Ensembles „Phorminx“ Darmstadt und „United Berlin“. 2000 erhielt Wenzel eine Honorarprofessur für Komposition an der Musikhochschule Dresden, zu seinen Schülern gehörten Annette Schlünz, Uwe Krause, Karsten Gundermann, Konrad Möhwald, Michael Flade, Silke Fraikin und Alexander Keuk.
Hans Jürgen Wenzel war von 1990 bis 1993 Präsident des Verbandes Deutscher Komponisten (VDK), nachdem er vorher bereits Führungspositionen im Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR (VKM) innegehabt hatte.
Musik
Hans Jürgen Wenzels kompromisslos moderne Werke enthalten oft einen Bezug zu bildender Kunst und Literatur. Er schrieb Orchester- und Vokalwerke, Kammermusik (darunter 12 Ausstellungsmusiken zu Ausstellungen bildender Künstler), Bühnenwerke und Filmmusiken (z. B. für die DEFA-Filme „Zeit der Störche“ und „Einfach Blumen aufs Dach“).
Seine Trassensinfonie aus dem Jahr 1970 stellt den Versuch einer Verbindung von Kulturschaffenden und Werktätigen auf künstlerischer Ebene dar, indem Wenzel in Werkstattgesprächen die Arbeiter vor Ort in den kompositorischen Schaffensprozess im Sinne des „Bitterfelder Weges“ mit einbezog. Allerdings wurde das Projekt besonders im Komponistenverband der DDR wegen angeblich mangelnder Qualität des Ergebnisses kritisiert.
Wenzels Lebenswerk aber war die Komponistenklasse. Alexander Keuk, einer seiner ehemaligen Schüler, der selbst Komponist geworden ist, schreibt in seinem Nachruf in der neuen musikzeitung (nmz): „Hans Jürgen Wenzel legte mit diesem Lebenswerk das Fundament für eine Basisarbeit mit Jugendlichen in der Begegnung mit zeitgenössischer Musik. Die frühe Förderung der Kreativität im kompositorischen Bereich bleibt von unschätzbarem Wert und wird auch heute in seinem Geiste weiter leben. Viele Schüler Hans Jürgen Wenzels sind Komponisten oder ausübende Musiker geworden; sie arbeiten selbst mit Jugendlichen und Kindern und haben durch die Arbeit mit Wenzel ein sensibles Gespür für Kunst und eine selbstverständliche Verantwortung zur Kultur erhalten.“ (Keuk 2009)
Werke
Bühnenwerke:
Fridolin, Ballett (Libretto: H. Haas), 1965
Die Geschichte vom alten Adam, Oper (Text: Joachim Rähmer nach Erwin Strittmatter), 1972/73
Händel-Pasticcio für 2 Schauspieler, Mezzo, Tonband, Chor und Orchester, 1984–86
Vokalwerke:
„Schwarze Asche, weiße Vögel“ Solokantate für Bariton und Streichorchester, 1966/67
DENKMALSTANDORT, Kammeroratorium zu Prometheus 1982 für Sprecher, Mezzo, Bass, Kinderstimme, Kammerchor und Instrumente, Texte verschiedener Dichter, 1981/82
Orchester- und Konzertwerke:
Konzert für Flöte und Orchester, 1966
Concerto grosso, 1968
Konzert für Cello und Orchester, 1968/69
Trassensinfonie, 1970
Concerto für großes Orchester, 1974
Konzert für Violine, Streichorchester, Cembalo und Schlagzeug, 1974
Bauhausmusik für Orchester, 1977/78
Konzert für Orgel und großes Orchester, 1979/80
Trauer und Feuer II für Kammerorchester, 1984/85
Sinfonie für großes Orchester Trauer und Feuer III, 1985
Sinfonietta für Orchester, 1985–86
Kammermusik:
1. Streichquartett, 1960
2. Streichquartett, 1968
3. Streichquartett, 1970
„Dilishanade“ Septett, 1975
4. Streichquartett, 1977/81
„Approximation“ für Flöte, Klarinette, Trompete, 2 Celli und 2 Schlagzeuger, 1980
„Metallophonie I“ Ausstellungsmusik für Metallarbeiten unterschiedlicher Formen, Material und Klangmöglichkeiten sowie 3 Flöten, Trompete, Viola und Cello, 1981
Double musik I und II, 1983/84 (Gemeinschaftskomposition mit Friedrich Schenker)
Zweite Bauhausmusik für sechs Blasinstrumente, 1986
„Inversion“ Gruppenmusik für 8 Spieler, 1988
12 Ausstellungsmusiken, 1977–86, darunter die Schult-Musik für Flöte, Klarinette in B, Trompete in C und 2 Violoncelli (1980), die Eröffnungsmusik für Flöte (Trompete), Violoncello und 2 Schlagzeuger (1978) und das Trio (1980) für Otto Möhwald
Filmmusik:
Zeit der Störche, 1971
Das zweite Leben des Friedrich Wilhelm Georg Platow, 1973
Unterwegs nach Atlantis, 1977
Einfach Blumen aufs Dach, 1979
Romeo und Julia auf dem Dorfe, 1984
Der Traum vom Elch, 1985
Kindheit, 1987
Klangbeispiel
Einfach Blumen aufs Dach – DEFA-Trailer, mit Musik von Hans Jürgen Wenzel
Literatur
Alexander Keuk, Kraftvoll-Schöpferisch dem Leben begegnen – Komponist Hans Jürgen Wenzel gestorben, in: neue musikzeitung (nmz), 05.09.2009 (https://www.nmz.de/online/kraftvoll-schoepferisch-dem-leben-begegnen-komponist-hans-juergen-wenzel-gestorben).
Links
Müller, Wenzel, Stieber. Mitteldeutsche Komponisten-Jubiläen 2019, Teil I, Musikkulturverein Mitteldeutschland e. V.
Kinder komponieren!, offizielle Website der Komponistenklasse Halle
Materialien für den Unterricht
Flyer zu Leben und Werk zeitgenössischer Komponist*innen aus Sachsen-Anhalt, darunter auch Hans Jürgen Wenzel, können in Klassenstärke oder einzeln beim Musikalischen Kompetenzzentrum Sachsen-Anhalt angefordert werden (weitere Informationen hier).
SM/Kerstin Hansen 2019