Komponist*innen

Stendel, Wolfgang (1943–2022)

* 12. Juli 1943 in Magdeburg, † 18. September 2022 in Wernigerode

Biografie

Der 1943 in Magdeburg geborene Wolfgang Stendel erhielt ab 1955 privaten Klavier- und später auch Orgelunterricht. Er war Mitglied des Magdeburger Domchores und lernte dort die Werke von Johann Sebastian Bach, Johannes Brahms und Anton Bruckner kennen, die ihn besonders beeindruckten. Stendel studierte von 1966 bis 1972 an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin Komposition bei Prof. Paul-Heinz Dittrich und Prof. Günter Kochan sowie Klavier bei Prof. Grete Herwig. Von 1972 bis 1974 war er Kochans Meisterschüler. Nach dem Studium nahm er eine Lehrtätigkeit an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Fach Musiktheorie auf. Ab 1981 arbeitete er als freischaffender Komponist.

Bedingt durch sein Interesse an Geschichte und Baukunst sowie zum direkten Kennenlernen unterschiedlicher Weltkulturen besuchte er mehrfach Frankreich, England, Italien und Spanien. Auch führten ihn Reisen u. a. nach Skandinavien, Nord- und Mittelamerika, Zentralasien, China, Japan, Indien.
Bis zum Jahr 2000 entstanden seine sämtlichen Kompositionen in Magdeburg. Danach siedelte er nach Wernigerode über, wo er viele Jahre lebte und arbeitete. Wolfgang Stendel verstarb am 18. September 2022 in Wernigerode (Nachruf zum Tod von Wolfgang Stendel von Alfred Thomas Müller s. u. Links).

Musik

Im Zusammenhang mit dem Studium von Kompositionen aus den letzten drei Jahrhunderten (Bach, Mozart, Beethoven, Brahms) gewann Stendel für sich neue musikalische Perspektiven. Seine Inventionen für Orchester (1976) weisen auf eine intensive Beschäftigung mit der Zweiten Wiener Schule  hin, insbesondere mit Arnold Schönberg und Anton Webern.

Die Individualität seiner eigenen Kompositionen ist darin begründet, dass er verschiedene musikalische Gestaltungsweisen „zu einem originell geformten Netzwerk entwickelt“ (Sramek 2010). Programmatische Hinweise sowie seine Vokalkompositionen verweisen auf seine „philosophischen und literarischen Intentionen“ (ebd.). Ab Anfang der 1990er-Jahre zeigten Stendels Werke  „vielfältige Verfeinerungen und Erweiterungen seiner bruchlos fortgeführten Stilistik zwischen variantenreichem Formenbau und neuartiger Tongebung“ (ebd.). Dabei spielen Formkalkulationen sowie die Organisation von Klangkomplexen, Metren, Bewegungselementen, Klangdichten, Einzelton-Spektren und Klangfarben in musikalisch individuell geprägtem Ausdrucksvermögen eine große Rolle.

Wolfgang Stendel formulierte sein „künstlerisches Credo“ 1981 anlässlich der Uraufführung seines Konzertes für Violoncello und Orchester (1978): „Mir ist es wesentlich, dass Musik einen bestimmten Grad der Verwandtschaft mit den alten Schönheiten aufweist, dass wir Musiker die von Generation zu Generation fortwirkenden progressiven Gedanken fasslich im jeweils speziellen Genre ausformen. Es kommt in der musikalischen Kunst auf eine Idee und auf eine gewissenhafte Verwirklichung an.“ (Zit. n. Sramek 2010)

Zahlreiche Werke von Wolfgang Stendel sind im Druck erschienen und werden für Rundfunk und Tonträger produziert.

Werke

Wolfgang Stendel komponierte Orchesterwerke (darunter zwei Sinfonien 1972 und 1980), Kammermusik und Vokalwerke in unterschiedlichen Besetzungen.

Werkauswahl

Kammermusik solo
Sechs Solostücke für Klarinette (1969), UA 1984 Halle (Saale)
Emanation für Violoncello solo (1975), UA 1977 Magdeburg
Signes für Klavier (1987), UA 1989 Magdeburg
Chrόnos für Flöte solo (1994), UA 1995 Halle (Saale)
Contentio für Violine solo (1995), UA 1998 Bayreuth

Klangbeispiel

Leitgedanke für Stendels Metamorphosen für Streichquartett aus dem Jahr 1992 ist das Gedicht An die Musik („Musik: Atem der Statuen…“) von Rainer Maria Rilke. Ausgehend von zwei „Spannungsklängen“ leitet der Komponist „eine Linie von zwölf Tonpunkten ab, um einen inneren Zusammenhang (mit den entsprechenden Intervallen, auch über den Oktavraum hinaus) zu stiften“ (Wolfgang Stendel  2008, in: Komponisten aus Sachsen-Anhalt Vol. 2, S. 12, s. u. Literatur).

Wolfgang Stendel, Metamorphosen für Streichquartett, Minguet Quartett, zu finden auf der CD Komponisten aus Sachsen-Anhalt Vol. 2, hrsg. vom Musikalischen Kompetenzzentrum Sachsen-Anhalt 2009

Literatur

Christoph Sramek, Art. „Wolfgang Stendel“, in: Hanns-Werner Heister / Walter-Wolfgang Sparrer (Hrsg.), Komponisten der Gegenwart, München 1992, 41. Nachlieferung 02/10.

Christoph Sramek, „Aber das Wehende höre“. Wolfgang Stendel. Werkverzeichnis. Eine Dokumentation zu Leben und Schaffen des Komponisten, Kamprad, Altenburg 2020.

Musikalisches Kompetenzzentrum Sachsen-Anhalt / Musikinformationszentrum Zeitgenössische Musik / Kerstin Hansen (Hrsg.), Komponisten aus Sachsen-Anhalt Vol. 2, München 2009 (= Gedanken zur Musik. Eine Schriftenreihe zum Musikleben in Sachsen-Anhalt, Heft 5).

Links

Werke von Wolfgang Stendel im Verlag Neue Musik

Nachruf zum Tod von Wolfgang Stendel von Alfred Thomas Müller

Materialien für den Unterricht

Das Musikinformationszentrum Zeitgenössische Musik im Musikalischen Kompetenzzentrum Sachsen-Anhalt  hat im Jahr 2009 die zweite von vier CDs mit Einspielungen der Musik von zeitgenössischen Komponist*innen aus Sachsen-Anhalt herausgebracht. Ein ausführliches Begleitheft für den Unterricht beschäftigt sich u. a. mit Wolfgang Stendel und bietet neben biografischen Informationen und einem Werkverzeichnis eine detaillierte Analyse von dessen Metamorphosen für Streichquartett in Form von Handreichungen für den Unterrichtsgebrauch vom Komponisten selbst (inkl. Notenbeispielen). Auf einer zweiten CD werden die eingespielten Werke den Analyseschritten entsprechend in einzelne Tracks unterteilt, die sich auch im Notenbild wiederfinden. Alle CDs und Begleithefte werden Schulen kostenlos zur Verfügung gestellt (nähere Informationen hier).

SM/Kerstin Hansen 2019, letzte Aktualisierung November 2022