Komponist*innen

Skryleva, Anna (* 1975)

* 1975 in Moskau

Die in Moskau geborene Dirigentin, Konzertpianistin und Komponistin Anna Skryleva ist seit der Spielzeit 2019/20 Generalmusikdirektorin am Theater Magdeburg.

Biografie

Bereits im Alter von fünf Jahren erhielt Anna Skryleva ihren ersten Klavierunterricht, die frühesten Kompositionen schrieb sie mit acht Jahren. Als sie zehn Jahre alt war, wurde sie in die Komponistenklasse des renommierten Tschaikowsky-Konservatoriums in Moskau aufgenommen. Dort wurde sie später auch zur Pianistin und Kammermusikerin ausgebildet.

Im Jahr 1999 ging Anna Skryleva nach Berlin an die Universität der Künste zum Klavierstudium bei Klaus Hellwig. Später folgte Dirigierunterricht bei Lutz Herbig in Düsseldorf. Ausschlaggebend für ihre endgültige Hinwendung zum Dirigieren war die zufällige Begegnung mit der Dirigentin und Hochschullehrerin Alicja Mounk, als deren Assistentin sie 2002/2003 an der Hochschule für Musik in Karlsruhe im Bereich Musiktheater tätig war. Frauen am Dirigentenpult waren zu dieser Zeit eher eine Seltenheit. So wurde neben Alicja Mounk besonders die Hamburger Generalmusikdirektorin und Intendantin Simone Young, als deren musikalische Assistentin und Repetitorin an der Hamburgischen Staatsoper Skryleva ab 2007 – nach einer dreijährigen Assistententätigkeit an der Oper Köln – fünf Jahre lang wirkte, zu ihrem großem Vorbild.

Weitere Stationen waren von 2012 bis 2015 Engagements als stellvertretende Generalmusikdirektorin und 1. Kapellmeisterin am Landestheater Schleswig-Holstein und ab der Spielzeit 2013/14 am Staatstheater Darmstadt. Im Jahr 2015 wurde Anna Skryleva als eine von sechs Dirigentinnen weltweit für die Teilnahme am Mentorenprogramm des „Institute for Women Conductors“, des ersten internationalen Instituts für Dirigentinnen, an der Dallas Opera ausgewählt. In der Spielzeit 2016/2017 war sie als Gast an der Dallas Opera engagiert.

Es folgte eine Zeit als Gastdirigentin renommierter internationaler Orchester wie dem hr-Sinfonieorchester, dem Aarhus Symfonieorkester, der Copenhagen Phil, der Norddeutschen Philharmonie Rostock und dem Orchester der Mexikanischen National-Universität OFUNAM sowie in der Spielzeit 2017/2018 am Theater Magdeburg, wo sie mit Beginn der Spielzeit 2019/2020 die Generalmusikdirektorenstelle übernahm.

Im Jahr 2014 rief Skryleva die Friedensinitiative „CLASSIC FOR PEACE“ ins Leben, ein Programm für einen internationalen Jugendaustausch im Bereich der klassischen Musik mit dem Ziel, über die Musik jungen Menschen eine Perspektive auf ein friedliches Zusammenleben aufzuzeigen und neue Werte für Toleranz und gegenseitigen Respekt zu vermitteln (nähere Informationen hier).

Anna Skryleva lebt mit ihrem Mann, einem Opernsänger, in Berlin. Das Ehepaar hat eine Tochter.

Musik / Werke

Die Dirigentin
Bereits in ihrer ersten Saison in Magdeburg konnte Anna Skryleva trotz der beginnenden Auswirkungen der weltweiten Corona-Pandemie fünf Sinfoniekonzerte mit der Magdeburgischen Philharmonie und die Spielzeiteröffnungspremiere von Janáčeks Kátja Kabanová sowie eine Neuproduktion von Puccinis Turandot als Dirigentin auf die Magdeburger Bühne bringen. Zudem war sie Gast an der Königlichen Oper in Stockholm und dirigierte dort Mozarts Zauberflöte und das Ballett Der Nussknacker von Tschaikowsky.

Ihre synästhetische Wahrnehmung von Musik als Farben spielgelt sich in ihren Programmen wider. In ihrem 1. Sinfoniekonzert in Magdeburg setzte sie Alexander Skrjabins sinfonische Dichtung op. 60 Prométhée – Le Poème du Feu  für großbesetztes Orchester, Soloklavier, Orgel, Chor und Farbenklavier mit Hilfe zweier Medienkünstler durch Lichteffekte auch optisch um (Näheres hier im Video-Blog).

Gerade in Zeiten strenger Hygieneregeln sieht Anna Skryleva eine Chance für Werke in Kammerbesetzung und zudem eine Möglichkeit, dem gegenwärtigen Drang nach der Klangfülle immer größerer Besetzungen entgegenzutreten. So erstellte sie im Corona-Jahr 2020 eine reduzierte Orchester-Fassung von Mozarts La clemenza di Tito (s. u. Zitat), die zunächst in Magdeburg und später auch in Winterthur zur Aufführung kam.

Anna Skryleva setzt sich aktiv für Frauen in den Führungsetagen der Kulturbranche ein. Durch ihre Teilnahme an Workshops für Führungsfähigkeiten im Rahmen des „Institute for Women Conductors“ und ein spezielles Training in Körpersprache hat sie sich ihren Erfolg diszipliniert erarbeitet. „Ich glaube nicht, dass ich ohne andere Frauen heute da wäre, wo ich jetzt bin“, sagte sie 2018 in einem Interview im Tagesspiegel (s. u. Link). So sind denn in den Magdeburger Konzertprogrammen vermehrt Frauen wie Leokadiya Kashperova (18721940) und Mel Bonis (18581937) die Komponistinnen der gespielten Werke. Anna Skryleva und die Magdeburgische Philharmonie wurden von der  Deutschen Orchesterstiftung beim Wettbewerb „Innovatives Orchester 2019″ für die Erweiterung des gängigen Orchesterrepertoires bei der Programmgestaltung mit einem Sonderpreis ausgezeichnet.

Mit einem eigenen Video-Blog ist Anna Skryleva auch im Internet präsent und gibt regelmäßig Einblicke in die Welt des Musiktheaters (https://www.theater-magdeburg.de/annas-video-blog/, abgerufen am 11.05.2021).

Ausschnitt aus Anna Skrylevas Bearbeitung von Wagners Vorspiel zur Oper „Lohengrin”, © Anna Skryleva

 

Die Komponistin
Obwohl Anna Skryleva seit ihrer Kindheit komponiert, sieht sie sich nicht in erster Linie als Komponistin. In einem Interview sagte sie im Februar 2021: „Ich habe unlängst eine reduzierte Fassung von Mozarts Oper ‚La clemenza di Tito‘ für kleines Streichorchester, Bläserquintett und mich am Cembalo erstellt, die wir in Magdeburg aufführen. Aber ich möchte mich weder als Komponistin in den Vordergrund drängen noch mich selbst damit unter Druck setzen. Für eigene Werke braucht man Zeit und professionellen Abstand. Gleichwohl pflegt Magdeburg eine gute Tradition für Uraufführungen. Wir kooperieren sehr gut mit dem IMPULS-Festival, das in Sachsen-Anhalt ganz viel bewegt hat auf dem Gebiet der Neuen Musik.” (Concerti, s. u. Link)

Neben mehreren Arrangements, z. B. von Werken Mozarts, Richard Wagners und Khachaturians, die sie u. a. für die International Music Youth Encounters im Rahmen ihres Projekts CLASSIC FOR PEACE einrichtete, komponierte Anna Skryleva hauptsächlich Solowerke für Klavier. Darunter sind Drei Impromptus in C (2018), Valzer Capriccio (1991), Troika (easy level; komponiert 1985 im Alter von neun Jahren) sowie weitere kleine Stücke, z. B. Lullaby aus dem Jahr 1999. Außerdem schrieb sie zum 200. Geburtstag von Clara Schumann im Jahr 2020 Orchestervariationen nach Robert Schumann (Werkübersicht hier, Notenmaterial erhältlich bei Sheet Music Plus).

Anna Skrylevas reduzierte Fassung von Mozarts La clemenza di Tito wurde vom Bärenreiter Verlag offiziell in den Vertrieb übernommen (Informationen hier).

Impromptu in C Nr. 3, Seite 1, 2018, © Anna Skryleva

Klangbeispiele

Lullaby, Anna Skryleva – Klavier

Impromptu in C Nr. 1, Anna Skryleva – Klavier

Anna Skryleva Impromptu in C Nr. 3 „Mit Schwung” bei Soundcloud

Impromptu in C Nr. 3, Anna Skryleva – Klavier (YouTube)

Vorspiel zur Oper „Lohengrin” (Arrangement von Anna Skryleva), Magdeburgische Philharmonie, Wunschkonzert 2019/2020

Kátja Kabanova, Bühnenorchesterprobe

Links

Website von Anna Skryleva

Theater Magdeburg, Theaterleitung, Anna Skryleva

„Es reicht leider nicht, viel Talent zu haben“, Interview vom 25. Februar 2021 (Concerti), abgerufen am 11.05.2021

Dirigentinnen, bildet Banden!, Tagesspiegel vom 27.10.2018, abgerufen am 11.05.2121

MDR KLASSIK-Gespräch mit Anna Skryleva vom 06.09.2019, abgerufen am 11.05.2021

Anna Skryleva bei Felsner Artists

Musiktheater altmodisch oder aktuell?, Gastkommentar für DAS OPERNMAGAZIN von Anna Skryleva, 24. Oktober 2019

Materialien zum Download

Notenbeispiel (PDF):

„Orchestervariationen nach Robert Schumann”, Variation Nr. 5

SM 2021