Komponist*innen

Schneider, Friedrich (1786–1853)

* 03.01.1786 in Altwaltersdorf (bei Zittau), † 23.11.1853 in Dessau

Friedrich Schneider 1821

Biografie

Johann Christian Friedrich Schneider wurde am 3. Januar 1786 als Sohn des Dorfschullehrers und Organisten der Gemeinde Altwaltersdorf (heute Waltersdorf), Johann Gottlob Schneider, geboren. Sein Vater unterrichtete ihn ab seinem vierten Lebensjahr im Klavier- und Orgelspiel und im späteren Kindesalter an weiteren Instrumenten.

Geburtshaus Friedrich Schneiders in Waltersdorf (Großschönau), Dorfstraße 57

 

Gedenktafel an Schneiders Geburtshaus

 

Seine ersten Kompositionsversuche machte Friedrich Schneider mit gerade einmal neun Jahren in seinem Elternhaus. Als er zum ersten Mal mit einer Klavieretüde von Mozart in Berührung kam, fühlte er sich regelrecht verzaubert. Daraufhin setzte er sich umso intensiver mit derartigen Werken auseinander: Haydn und Mozart wurden so schon im jungen Alter seine größten Vorbilder.

Ab seinem zwölften Lebensjahr besuchte Schneider das Gymnasium in Zittau, wo er Musikunterricht durch den Kantor Schönfelder und den Organisten Unger erhielt. Er sammelte viele musikalische Erfahrungen und schrieb auch eigene Werke. Seine erste Klaviersonate führte er in einem Konzert in Görlitz auf, woraufhin der Leipziger Verlag Breitkopf und Härtel diese im Jahr 1803 veröffentlichte.

1805 zog Schneider nach Leipzig, um dort Humanwissenschaften zu studieren. Gleichzeitig bildete er sich in der praktischen Musikausübung wie auch in der Komposition stetig weiter. Er übernahm innerhalb kürzester Zeit verschiedene musikalische Ämter: 1806 als Gesangslehrer an der Ratsfreischule, im darauffolgenden Jahr als Organist der Universitätskirche, 1810 als Musikdirektor der Secondaschen Operngesellschaft, drei Jahre später sogar als Organist der Thomaskirche. In dieser Zeit machte Schneider sich einen Namen, worauf sein eigentliches größeres Schaffen und Wirken letztendlich aufbaute. So wurde er 1816 Leiter der Singakademie und im folgenden Jahr sowohl Musikdirektor des Stadttheaters als auch Korrektor und Berater des Bureau de musique (Vorläufer des heutigen Musikverlags Edition Peters). Damit wurde Schneider nach und nach zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten des Leipziger Musiklebens.

Auf kompositorischer Ebene wandte er sich beinahe allen Gattungen zu. Überregionale und nachhaltige Anerkennung erhielt er erstmalig durch sein am 6. März 1820 im Gewandhaus aufgeführtes zweites Oratorium Das Weltgericht.

Ein Jahr später übernahm er die Stelle des Herzoglich Anhalt-Dessauischen Hofkapellmeisters als Nachfolger des verstorbenen Leopold Carl Reinicke (1774–1820). Auf verschiedensten Ebenen nahm er so direkten Einfluss auf das Dessauer Musikleben und brachte die ruhige Stadt zu neuer Blüte. Vor allem als musikalischer Leiter und Organisator unzähliger Veranstaltungen sowie als Musikpädagoge engagierte er sich spürbar. Unbändiger Eifer und eine ausgeprägte Hingabe zeichneten ihn und sein Schaffen aus. Dies zeigte sich auch in seiner umfangreichen kompositorischen Arbeit.

Friedrich Schneider, Denkmal im Stadtpark Dessau, eingeweiht am 27. Mai 1893 (an anderer Stelle), Bildhauer: Hermann Schubert (geb. in Dessau, tätig in Dresden)

 

Schneider war in seiner Zeit eine hoch anerkannte musikalische Persönlichkeit. Im Jahr 1830 verliehen ihm die Universitäten Halle und Leipzig die Ehrendoktorwürde. Zudem war er Ehrenmitglied bedeutender Verbindungen wie beispielsweise der New York Philharmonic Society, der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde und der Königlichen Musikakademie zu Stockholm.

Obwohl Schneiders letzte Jahre von körperlichen Leiden durchzogen waren, war er bis zum Ende seines Lebens stets aktiver Teilnehmer des Dessauer Musiklebens. Er verschied im Alter von 67 Jahren am 23. November 1853 in der kleinen Residenzstadt.

Grabmal Friedrich Schneiders auf dem Historischen Friedhof I in Dessau

 

Straßenschild in Dessau

Musikhistorische Bedeutung

Friedrich Schneiders musikhistorische Verdienste liegen sowohl auf seinem kompositorischen Werk, dem von Zeitgenossen große Originalität und Erfindungsreichtum bescheinigt wurden, als auch auf seinem über 30-jährigen Einsatz für das Dessauer Musikleben.

Im März 1821 erhielt er die Stelle als Herzoglich Anhalt-Dessauischer Hofkapellmeister. Innerhalb eines Jahres übernahm er die von ihm neugegründete Singakademie, die Liedertafel, den Herzoglichen Singechor, das Amt des Organisten an der Schlosskirche und wurde musikalischer Leiter des Hoftheaters (vgl. Musikkoffer-Artikel zum Anhaltischen Theater Dessau) und damit des Opernbetriebes. Tätig als Komponist, Dirigent, Pianist, Organist, Lehrer und Organisator, führte er die Stadt zu einer zweiten musikalischen Blütezeit nach Friedrich Wilhelm Rust.

Konzertwesen
Schneiders erste Amtshandlung auf seinem neuen Posten als Hofkapellmeister in Dessau war eine Umstrukturierung und Reorganisierung der Hofkapelle (vgl. Musikkoffer-Artikel zur Anhaltischen Philharmonie Dessau). Im Zuge dessen nahm er zunächst eine enorme Vergrößerung des Orchesters auf insgesamt 41 Mitglieder vor. Durch seine intensive Probenarbeit formierte sich in kürzester Zeit ein leistungsfähiges und anerkanntes Ensemble.

Auch die Errichtung eines neuen Konzertsaals initiierte Schneider direkt zu Beginn seines Wirkens in Dessau. Im Mai 1822 wurde dieser dann feierlich eingeweiht und ebnete so den Weg für seine folgenden Pläne.

Hoftheater innen

 

Mit einem hervorragenden Orchester und einem neuen, ansprechenden Konzertsaal hatte Schneider nun deutlich bessere Voraussetzungen für musikalische Veranstaltungen geschaffen. Um das beschauliche Städtchen mehr in das Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken, begann er, regelmäßig Musikfeste zu veranstalten. 30 Jahre lang wurden eine Reihe bedeutender Musikfeste in Dessau abgehalten. Sie gaben dem Musikleben einen neuen Schwung und machten die Stadt insbesondere überregional bekannt und auf kultureller Ebene interessant.

Zudem lockten auch regelmäßige Abonnementkonzerte mit Künstlern aus ganz Europa immer mehr Publikum an. Diese veranstaltete Schneider bereits seit Juni 1822 nach dem Vorbild Leipzigs. Eines der größten Gastspiele war vermutlich das von Niccolò Paganini – dem berühmtesten Violinisten seiner Zeit, der sogar eine Ouvertüre von Schneider aufführte.

Programmzettel

 

Kirche, Singverein und Liedertafel
Schon seit seiner Kindheit war Friedrich Schneider sehr eng mit der Kirche und ihrer Musik verbunden. Als er im März 1821 nach Dessau zog, war er negativ überrascht über den musikalischen Zustand in den Kirchen vor Ort. Vor allem der Kirchengesang war eher schleppend und vernachlässigt, der Chor unterdurchschnittlich und unorganisiert.

Aufgrund Schneiders hoher Stellung konnte er den Gymnasialchor vergrößern und organisierter gestalten. Außerdem übernahm er die Leitung des Singvereins, was zu einem spürbaren Zuwachs der Mitglieder führte. Zusätzlich wurde er bald Organist der Schlosskirche, wodurch er insbesondere sämtliche koordinierenden und organisierenden Funktionen ausüben konnte. Diese Maßnahmen in Kombination mit disziplinierter Probenarbeit zahlten sich schnell aus und führten zu einer deutlichen Verbesserung der musikalischen Gestaltung im kirchlichen Rahmen.

Zusammen mit seinem Freund, dem Dichter Wilhelm Müller (1794-1827), gründete er außerdem die Liedertafel, bei der sich Freunde des Gesanges regelmäßig treffen und gemeinsam singen konnten.

Durch die Erweiterung und Verbesserung des musikalischen Angebots in Dessau gelang es, das Musikleben nicht nur für Gäste der Stadt, sondern auch für ihre Bürger anregender und ansprechender zu gestalten.

Musikpädagogik
Auch in der Musikpädagogik setzte Schneider entscheidende Impulse. Zum einen gründete und leitete er die Singakademie. Zum anderen eröffnete er im Zuge der Konservatoriumsgründungen im Jahr 1829 die „Musikschule zu Deßau“. Diese war ein Magnet für Musikstudenten aus allen Teilen Deutschlands und sogar Europas. Insgesamt wurden mehr als 120 Absolventen in Dessau verabschiedet, darunter u. a. Eduard Bernsdorf (1825–1901), Robert Franz (1815–1892), Christian Leberecht Fuchs (1791–1849), August Gathy (1800–1858), Gustav Rebling (1821–1992), August Seelmann (1806–1885), Julius Tausch (1827–1895) und Eduard Thiele (1812–1895). Mit dem Aufbau des Konservatoriums in Leipzig entstand jedoch eine derart große Konkurrenz, dass die Dessauer Musikschule 1844 wieder geschlossen werden musste.

Werke

Neben all seinem vielfältigen Wirken komponierte Friedrich Schneider zudem eine Vielzahl an musikalischen Werken. Der aktive und überaus fleißige Tonsetzer bediente dabei ein breites Spektrum von geistlicher Musik über Bühnenwerke bis hin zu Instrumentalstücken.

Er führte dabei eigenhändig ein chronologisches Werkverzeichnis. Seine erste Komposition ist ein Lied (An die Geliebte), das er am 18. November 1799 – mit 14 Jahren – schrieb. Insgesamt verzeichnete er über 800 verschiedene Werke, von denen lediglich 105 mit und 38 ohne Opuszahlen gedruckt wurden.

Einen Durchbruch erlebte er mit seinem Oratorium Das Weltgericht, das am 6. März 1820 im Leipziger Gewandhaus uraufgeführte wurde und ihn plötzlich berühmt machte. Es zählt zu den bedeutendsten Oratorien des 19. Jahrhunderts und in dieser Zeit sogar zu den am häufigsten aufgeführten Werken dieser Gattung.

Schneider verfasste u. a. 16 Oratorien (u. a. Die Höllenfahrt des MessiasDas verlorene Paradies und Christus, der Erlöser), zahlreiche weitere geistliche Werke wie Messen, Kantaten und Motetten, 6 Opern, 23 Sinfonien, 20 Ouvertüren, zwei Klavierkonzerte, 10 Streichquartette, zwei- und vierhändige Klaviersonaten, zahlreiche Klavierauszüge und Arrangements von Opern und Instrumentalwerken von Komponisten wie Mozart, Beethoven und Cherubini, dazu Lieder und ca. 400 Chorwerke, die für seine Chöre entstanden.

Klangbeispiele

Friedrich Schneider, Das Weltgericht, Oratorium op. 46, Gewandhaus Chor Camerata Lipsiensis, Dirigent: Gregor Meyer

Friedrich Schneider, Klaviertrio op.38 (1816), Interpreten: TrioSono

Noten zum Download

Werke von Friedrich Schneider in der Petrucci Music Library

Das Weltgericht  in der Petrucci Music Library

Literatur

Christian Antz (Hrsg.), Christoph Neef (Text), Musikland Sachsen-Anhalt. Eine musikalische Reise durch Sachsen-Anhalt (= Kulturreisen in Sachsen-Anhalt, Bd. 4), Dößel (Saalekreis) 2005, S. 19.

Beer, Axel / Schmid, Verena, Art. „Schneider, (Johann Christian) Friedrich“in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel, Stuttgart, New York 2016ff., zuerst veröffentlicht 2005, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/53367.

Friedrich Kempe, Friedrich Schneider als Mensch und Künstler: ein Lebensbild, hrsg. von Arthur Lutze, Dessau 1859.

Karl-Heinz Köhler/Lutz Buchmann/Ronald Müller, Von der Fürstlichen Hofkapelle zur Anhaltischen Philharmonie – 250 Jahre Orchester in Dessau, hrsg. vom Anhaltischen Theater Dessau, Jonitzer Verlag, Dessau 2016.

Frank Kreißler (Hrsg.), Friedrich-Schneider-Ehrung der Stadt Dessau: Vorträge des Kolloquiums anlässlich des 150.Todestages von FriedrichSchneider, hrsg. von Frank Kreißler und der Stadt Dessau, Dessau 2004.

Hans Michael Schletterer, “Schneider, Friedrich”, in: Allgemeine Deutsche Biographie 32 (1891), S. 110119 [Online-Version], https://www.deutsche-biographie.de/pnd11940818X.html#adbcontent.

Links

Friedrich-Schneider-Chor Dessau (Website)

Friedrich-Schneider-Straße in Dessau

Friedrich Schneider in der Allgemeinen Deutschen Biographie (Artikel von 1891)

Friedrich Schneider als Mensch und Künstler (1859), Online-Version der Bayerischen StaatsBibliothek

Materialien zum Download

Arbeitsblatt (PDF)

Komponistenpersönlichkeiten in Sachsen-Anhalt (Schüler-Arbeitsblatt im Word-Format für Lehrer*innen auf dem Landesbildungsserver)

Linda Klein 2020

Der Beitrag entstand im Rahmen eines Seminars im Sommersemester 2018 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.