Komponist*innen

Marpurg, Friedrich Wilhelm (1718–1795)

 * 21. November 1718 in Wendemark, † 22. Mai 1795 in Berlin

Friedrich Wilhelm Marpurg nach einem Gemälde von Friedrich Krauke (1758)

Biografie

Friedrich Wilhelm Marpurg wurde am 21. November 1718 im altmärkischen Wendemark auf einem Gut im heutigen Sachsen-Anhalt geboren. Über die Kinder- und Jugendzeit von Marpurg ist nur wenig bekannt und nur wenige Daten gelten als wirklich verifiziert. Man geht davon aus, dass er aus einer wohlhabenden Familie kam. 1738 schrieb er sich in Jena und 1739 in Halle an der Saale als Jurastudent ein. In Halle soll er sich mit dem später berühmten Altertumsforscher Johann Joachim Winckelmann befreundet haben. Winckelmann berichtet in einem Brief davon, dass Marpurg aufgrund eines „Pasquills“ – einer Spottschrift – über einen Magister aus Jena nach Frankreich fliehen musste, da ihm ansonsten eine Gefängnisstrafe gedroht hätte.

In den 1740er-Jahren befand sich Marpurg in Paris in den Diensten des Generalleutnants und dilettierenden Flötisten Graf Friedrich Rudolf von Rothenburg (1710–1751). Hier entstanden die ersten seiner musikalischen Werke. Marpurg soll Kontakte zu den französischen Aufklärern seiner Zeit gehabt haben, so z. B. zu d’Alembert und Voltaire sowie zu dem Komponisten und Musiktheoretiker Rameau.

Vermutlich weiterhin im Gefolge von Rothenburg, gelangte Marpurg 1746 nach Berlin. Er war kurzzeitig Sekretär des Grafen, dem er den Sammelband seiner ersten publizistischen Veröffentlichung, der Wochenzeitung Der critische Musicus an der Spree (1749/50), widmete. Darin eröffnete er eine Kontroverse mit dem Komponisten Johann Friedrich Agricola und verteidigte den Gleichrang der französischen Musik mit der italienischen, aber auch der deutschen Musik.

Nach dem Tod Rothenburgs 1751 war Marpurg mit weiteren Periodika, Lehrwerken und Liedsammlungen sehr erfolgreich. So veröffentlichte er z. B. 1753/54 eine Abhandlung von der Fuge und 1755 eine Anleitung zum Clavierspielen. Während seiner Berliner Zeit verfolgte Marpurg auch weiterhin aufklärerische Ideen und pflegte rege Kontakte zu den jungen Berliner Aufklärern um Gotthold Ephraim Lessing und Moses Mendelssohn wie auch zu den Musikern im Umfeld des damaligen Berliner Hofes (Johann Joachim Quantz, Carl Philipp Emanuel Bach, Brüder Benda und Graun, Johann Philipp Kirnberger, Johann Friedrich Agricola und Christian Gottfried Krause).

“Anleitung zum Clavierspielen” von 1755

 

Aus einigen Quellen geht hervor, dass Marpurg den Großteil seines Lebens unter finanziellen Schwierigkeiten lebte. Eine existentielle Absicherung erlangte er schließlich 1763, als er eine Stellung an der königlichen Lotterie erhielt und 1766 zu deren Direktor aufstieg. Damit einher geht der fast vollständige Verzicht auf musikalische und publizistische Tätigkeiten, sodass Marpurg in den folgenden Jahren nur noch wenige Werke veröffentlichte: Es lassen sich ab 1765 nur noch zwei weitere veröffentlichte Abhandlungen von ihm finden sowie einige Choralvorspiele und Kontrapunktübungen. 1766 wurde Marpurg Vater eines Sohnes, der später als Violinist erfolgreich werden sollte. Im Alter von 76 Jahren verstarb er am 22. Mai 1795 in Berlin.

Musikhistorische Bedeutung

Marpurgs musikhistorische Bedeutung für die damalige und auch spätere Zeit zeigt sich weniger in seinen Kompositionen als vielmehr in seinen theoretischen Werken und musikästhetischen Schriften. Er gilt als einer der einflussreichsten deutschen Musiktheoretiker und Publizisten im 18. Jahrhundert, insbesondere für die Herausbildung eines eigenständigen musikalischen Diskurses innerhalb der Berliner Aufklärung. In seinen Historisch-Kritischen Beyträgen zur Aufnahme der Musik (ab 1754)  und seinen Kritischen Briefen über die Tonkunst (ab 1760) gibt er einen Einblick in sein großes musiktheoretisches und ästhetisches Wissen. Beide wöchentlich erschienenen Periodika umfassen informative Artikel über den Unterschied zwischen der italienischen und französischen Musik, Grundregeln zu den Fundamenten der Musik und des Klavierspiels, Klavierübungen, Auszüge aus Liedern und Oden, Beiträge zur Generalbass- und Harmonielehre, Lebensläufe bekannter Musiker sowie Briefwechsel über musiktheoretische Themen und Nachrichten über Neuerscheinungen musikalischer Schriften und Bücher. In seinen Wochenschriften ging es Marpurg vor allem um die ästhetische Diskussion, um Vermittlung von Musiktheorie und Etablierung einer fundierten Musikkritik.

Als eines seiner bekanntesten Werke gilt die Abhandlung von der Fuge. Im Rückblick auf Bach und seine Zeit versucht er hier alles Wissenswerte über den Kontrapunkt darzustellen und auf unterschiedliche Weise wissenschaftlich zu betrachten. Gerade im Hinblick auf die Instrumentalfuge ist es eines der ausführlichsten und umfangreichsten Werke, die jemals erschienen sind.

„Die Bedeutung des Autors, Editors, Kompilators und auch Komponisten für die Formierung eines neuen Denkens über und in Musik im mittleren 18. Jh. kann schon deswegen, aber auch wegen des umfassenden Anspruchs nicht hoch genug veranschlagt werden.“ (Lütteken 2004, Sp. 1130)

Ausschnitt aus Marpurgs Werk „Kritische Briefe über die Tonkunst“. Die Briefe gehen auf vorherige Schriften und Meinungen ein, verbleiben jedoch immer im gleichen Muster.

Werke

Als einer der Initiatoren der Berliner Liederschule schuf Friedrich Wilhelm Marpurg Lieder und Oden, Klaviermusik im Stil der frühen Sonaten Carl Philipp Emanuel Bachs sowie figurierte Choräle und andere Kompositionen im alten Stil.

Unter den Editionen, denen er auch eigene Beiträge beifügte, sind zu nennen: Neue Lieder zum Singen beym Clavier (1756), Berlinische Oden und Lieder (1756–63), Geistliche moralische und weltliche Oden (1758), Geistliche Oden, in Melodien gesetzt (1758), Gellerts Oden und Lieder (1759), Clavierstücke mit einem practischen Unterricht für Anfänger und Geübtere (1762)

Eigenkomposition Marpurgs aus den “Berlinischen Oden und Liedern”

 

Auch in den Berlinischen Oden und Liedern sind zahlreiche Eigenkompositionen Marpurgs enthalten (s. o.). Sämtliche Lieder sind in Abkehr von barocker Ariengestaltung sehr einfach gehalten und mit leicht überschaubarer Form und ebenso simpler Begleitung ausgestattet, um deren musikalische Darbietung auch den musikalischen Laien, den Dilettanten, zu ermöglichen. Der ersten Berliner Liederschule gemäß handelt es sich textlich um so lebensnahe Themen wie Liebe, Freundschaft, Geselligkeit etc.

Periodika: Der critische Musicus an der Spree (1749–50), Historisch-kritische Beyträge zur Aufnahme der Musik (1754–62 u. 1778), Kritische Briefe über die Tonkunst (1760–64)

Musiktheoretische Schriften: Die Kunst das Clavier zu spielen (1750 und 1761), Abhandlung von der Fuge (1753-54), Handbuch bey dem Generalbasse und der Composition (1755-58), Anleitung zur Singcomposition (1758), Kritische Einleitung in die Geschichte und Lehrsätze der alten und neuen Musik (1759)

Klangbeispiele          

Rondeau in G-Dur (Klavier)

Was Gott tut, das ist Wohlgetan (Orgel)

Versuch in figurirten Corälen (Orgel)

Schriften und Noten zum Download

Abhandlung von der Fuge (Bayerische Staatsbibliothek)

Historisch-Kritische Beyträge zur Aufnahme der Musik (Bayerische Staatsbibliothek)

Kritische Briefe über die Tonkunst (Petrucci Music Library)

Berlinische Oden und Lieder (Petrucci Music Library)

Literatur

Laurenz Lütteken, Art. „Marpurg, Friedrich Wilhelm“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, 2., neubearbeitete Ausgabe, hrsg. von Ludwig Finscher, Personenteil, Bd. 11, Kassel u. a. 2004, Sp. 1125–1131.

Wilhelm Seidel, Art. “Marpurg, Friedrich Wilhelm”, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 16, Berlin 1990, S. 235–236, Online-Version: https://www.deutsche-biographie.de/gnd118921088.html#ndbcontent.

Links

Sachsen-Anhalt-Lese: Friedrich Wilhelm Marpurg

Arbeitskreis erinnert an vergessenen Sohn (Zeitungsartikel)

Materialien zum Download

Arbeitsblätter (PDF):

Friedrich Wilhelm Marpurg – Ein Musikkritiker seiner Zeit (Schüler-Arbeitsblatt im Word-Format für Lehrer*innen auf dem Landesbildungsserver)

Komponistenpersönlichkeiten in Sachsen-Anhalt (Schüler-Arbeitsblatt im Word-Format für Lehrer*innen auf dem Landesbildungsserver)

Marius Renell 2017, letzte Aktualisierung Oktober 2018

Der Beitrag entstand im Rahmen eines Seminars im Sommersemester 2017 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.