Komponist*innen

Klughardt, August (1847–1902)

* 30. November 1847 in Köthen, † 03. August 1902 in Roßlau (heute Stadt Dessau-Roßlau)

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August Klughardt in der Darstellung von August Weger

Biografie

August Friedrich Martin Klughardt, in Köthen im Jahr 1847 geboren, erhielt von seinem 10. Lebensjahr an Klavierunterricht. Im Jahr 1863 siedelte er mit seiner Familie nach Dessau über. Bereits in seiner Schulzeit schrieb Klughardt erste Kompositionen für ein von ihm geleitetes „musikalisches Kränzchen“ (Gerlach 1902, S. 7) der Oberstufenschüler.

Nach dem Abitur 1866 setzte Klughardt seine musikalische Ausbildung in Dresden fort, vorrangig in Klavierspiel und Tonsatz. Bereits als 19-Jähriger trat er seine erste Stelle als Hofkapellmeister in Posen an. Nach weiteren Stationen in Neustrelitz und Lübeck ging Klughardt für vier Jahre (1869 bis 1873) als Großherzoglicher Musikdirektor nach Weimar, wo er 1871 Helene Fähser heiratete, die er bereits aus seiner Dessauer Schulzeit kannte. 1872 wurde Tochter Margarete geboren.

Prägend für Klughardts Weimarer Zeit war seine Begegnung mit Franz Liszt, der seinen Kompositionen reges Interesse entgegenbrachte und dessen liebenswürdige Verbundenheit Klughardt auch später in seinen Tagebuchaufzeichnungen hervorhob. Im Jahr 1873 kehrte Klughardt für sein bis dahin längstes Engagement nach Neustrelitz zurück, wo er neun Jahre lang Hofkapellmeister und alleiniger Dirigent war. Eine Art Lebensstellung führte Klughardt 1882 als Hofkapellmeister in die Heimat nach Dessau zurück, wo er 1883, ein Jahr nach dem tragischen Selbstmord seiner ersten Frau, wieder heiratete und 20 Jahre bis zu seinem Tod im Jahr 1902 wirkte.

In Dessau-Roßlau wurde eine Straße nach dem Komponisten benannt. Die Klughardtstraße verläuft direkt neben dem Friedhof, auf dem sich die historische Grabanlage mit Klughardts sterblichen Überresten befindet.

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Grabanlage auf dem Dessauer Friedhof III

Musikhistorische Bedeutung

August Klughardt gehört in die Reihe der Dessauer Hofkapellmeister wie Friedrich Wilhelm Rust und Friedrich Schneider, die neben ihrer Tätigkeit als Dirigenten in ihrer Zeit hoch geschätzte Komponisten waren, deren Werke sowohl verlegt als auch aufgeführt wurden und die dennoch heute weitgehend in Vergessenheit geraten sind. Auffällig ist daher die relativ große Zahl an Interpretationen Klughardt’scher Werke, die sich allein schon im Internet auf Youtube und auf CD-Einspielungen finden, allen voran die hoch romantischen Schilflieder op. 28 für Klavier, Oboe und Viola und das Bläserquintett op. 79.

Ein Klughardts Biografie in hohem Maße beeinflussendes Ereignis war sein Besuch der ersten Bayreuther Festspiele im Jahr 1876, der ihn, wie die Tagebuchaufzeich­nungen dokumentieren, zu einem glühenden, wenngleich nicht kritiklosen Wagner-Verehrer machte. Klughardts Kompositionsstil ergibt sich einerseits aus dieser Begeisterung für die Neudeutsche Schule um Liszt und Wagner. Andererseits wird ihm eine eher konservative Orientierung an den Werken Robert Schumanns zugeschrieben. Zwar verwendet Klughardt in seinen Opern „wagnersche“ Leitmotivik, hält aber dennoch an der älteren Form der Nummernoper fest, die Wagner überwunden hatte. Klughardt schrieb immerhin 5 Sinfonien, eine Gattung, die in der Neudeutschen Schule zugunsten der Programmmusik kaum noch eine Rolle spielte. Mit seiner Lenoren-Symphonie Op. 27 (je nach Verzeichnis auch Lenore. Sinfonische Dichtung für großes Orchester nach Bürgers Ballade) von 1872, einem viersätzigen Orchesterwerk nach der unheimlich-düsteren Ballade des Molmerswender Dichters Gottfried August Bürger, komponierte Klughardt eine „Mischform“ zwischen Sinfonie und Sinfonischer Dichtung. Er widmete dieses Werk Richard Wagner und wollte mit der Form wohl seinem Idol musikalisch entgegenkommen. Ansonsten “umging” er die Sinfonische Dichtung, indem er traditionsreiche Programmouvertüren schrieb.

Klughardts Musik entspricht dem romantischen Idiom seiner Zeit, die „traditionelle Harmonik ist vielfältig und wirkungsvoll“ (Eisenhardt/Zabel 2002, S. 18), der „melodische Erfindungsreichtum […] groß bis überschwenglich“ (ebd.).

Zweifellos war August Klughardt ein kritisch reflektierender und genauer Dirigent, der sein Neustrelitzer Orchester so weit brachte, dass Richard Wagner einige Musiker aus Neustrelitz für die Bayreuther Festspiele 1876 orderte. In seinen Tagebuchaufzeichnungen weist Klughardt immer wieder darauf hin, dass er während der Proben zum “Ring“ einen satten Geigenklang vermisste, z. B. am 21. Juli 1876 bei der nachmittäglichen Siegfried-Probe: „…bei vielen anderen fehlt mir der Geigenklang, dieser saftige, volle, schwelgerische, immer noch gar zu sehr.“ (Eisenhardt/Zabel 2002, S. 47)

Zudem erfuhr die Wagner-Pflege in Dessau im ausgehenden 19. Jahrhundert nach Eduard Thiele unter August Klughardt ihre kontinuierliche Fortsetzung und Konsolidierung

Werke

August Klughardts Werk umfasst eine große Zahl unterschiedlicher musikalischer Gattungen: Er komponierte 5 Sinfonien (dazu Waldleben, eine frühe Sinfonie, die er selbst zurückgezogen hat), vier Opern, Oratorien, Ouvertüren und Instrumentalkonzerte. Daneben schrieb er Kammermusik für verschiedene Bläser- und Streicherbesetzungen, darunter Streichquartette, ein Klavierquintett, ein Streichquintett, ein Klaviertrio, das relativ häufig aufgeführte Bläserquintett 0p. 79 für Flöte, Klarinette, Oboe, Horn und Fagott sowie die Schilflieder op. 28 für Klavier, Oboe und Viola. Hinzu kommen gängige patriotische Musikstücke für Chor oder Orchester (z. B. Die Wacht am Rhein. Sieges-Ouvertüre op. 26 zur Feier der Ereignisse von 1871), Chorwerke, reine Klavierstücke und eine Vielzahl von Liedern mit Klavierbegleitung.

Außerdem hat August Klughardt im Jahr 1897 die 18 Stücke für eine Spieluhr (BR-WFB A 63–80) von Wilhelm Friedemann Bach für Klavier herausgegeben, nachdem er die Original-Uhr samt Walzen, die wohl ursprünglich aus dem Köthener Schloss stammte, gefunden hatte (s. Hinweise zu mechanischen Instrumenten in Sachsen-Anhalt). Klughardt hatte die Stücke, wie seine Zeitgenossen auch, Johann Sebastian Bach zugeschrieben.

Dazu eine Anekdote aus dem Leben August Klughardts (nach der Biografie von Gerlach):

„Auf dem herzoglichen Schlosse zu Dessau befindet sich eine alte, der Tradition nach von Johann Sebastian Bach herrührende Spieluhr, aus der aber schon seit längerer Zeit das Werk herausgenommen war. Das Gehäuse ist von ungewöhnlicher Grösse und Form, da es ausser den Walzen auch noch eine Harfe zu beherbergen hatte. Der Hofuhrmacher Seelmann erbat sich von Sr. Hoheit dem Herzoge die Erlaubnis, nach dem Verbleiben des Werkes Nachforschungen anzustellen. Es fanden sich auch wirklich die einzelnen Teile in der Gypskammer vor, und zwar wenig beschädigt, so dass eine Wiederherstellung sich ermöglichen liess. Der Musikdirektor der Leipziger Polyphonfabrik, Herr Alfred Schweichert, wurde nun beauftragt, die Noten von den Walzen abzulesen. Dieser erklärte, nachdem er einen Tag lang sich abgemüht, es sei keine Musik herauszufinden.

Auch Klughardt konnte anfänglich zu keinem Resultate gelangen, bis er auf den Gedanken kam, alles umzukehren und das Obere mit dem Unteren, den Anfang jedes Stückes mit dem Ende zu vertauschen. Jetzt war das Rätsel gelöst und es ergaben sich neun Musikstücke verschiedenen Charakters, Psalmen, Jagdstücke, Tänze, welche die Bachsche Herkunft deutlich erkennen Hessen. Nur in einzelnen Takten fanden sich Dinge, welche Bach für Klavier anders gemacht haben würde; doch erklären sich die Abweichungen hinlänglich aus der Unvollkommenheit des Instrumentes, mit welcher der Komponist hier hat rechnen müssen. Auch die Bachgesellschaft in Leipzig bestätigte diese Auffassung. Klughardt hat die kleinen Stücke dann für Klavier (bei Breitkopf & Härtel) herausgegeben und sie auch an einem Kammermusikabend mit grossem Beifall vorgetragen.“ (Gerlach 1902, S. 138)

Klangbeispiele

August Klughardt, Quintett op. 79

5 Schilflieder op. 28 – August Klughardt

Von Klughardts Werken liegen zahlreiche CD-Einspielungen u. a. der Anhaltischen Philharmonie Dessau vor (Auswahl hier).

Noten zum Download

Schilflieder op. 28

Wilhelm Friedemann Bach, 18 Stücke für eine Spieluhr, für Klavier hrsg. von August Klughardt

Literatur

Günther Eisenhardt, Marco Zabel,  August Klughardt. Ausgewählte Dokumente und Materialien zu Leben und Werk. Mit einem Bericht über die ersten Bayreuther Festspiele 1876, Potsdam 2002 (kostenloser Download hier).

Leopold Gerlach,  August Klughardt, sein Leben und seine Werke, Leipzig 1902 (digitale Version hier).

Christoph Hust, Art. „Klughardt, August (Friedrich Martin)“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 2., neubearbeitete Ausgabe, hrsg. von Ludwig Finscher, Personenteil, Bd. 10, Kassel u. a. 2003, Sp. 317318.

Anregungen für den Unterricht

Thema 1

Die in der oben genannten Potsdamer Publikation vorliegenden Auszüge aus August Klughardts Tagebuch werfen nicht nur ein Licht auf Klughardts kritisch-reflektierendes Musikverständnis, sondern entwerfen auch ein lebendiges Bild der Zeit um die ersten großen Wagner-Festspiele 1876, in denen der gesamte Wagnersche „Ring“ aufgeführt wurde (Eisenhardt, Zabel 2002, S. 32–63). Im Rahmen der Thematisierung der Musikdramen Richard Wagners (der in jungen Jahren zwei Sommerspielzeiten in Magdeburg und Bad Lauchstädt leitete) im Musikunterricht lassen sich solche Zeitzeugnisse selbstständig von den Schülern erarbeiten und im Unterricht in Beziehung zur Bayreuther Aufführungspraxis setzen, die ja – bis heute – auch als bedeutendes gesellschaftliches Ereignis verstanden und gewürdigt werden muss.

Mögliche Arbeitsaufgaben

Stelle anhand der Tagebuchaufzeichnungen den typischen Tagesablauf August Klughardts und seiner Begleiter in Bayreuth dar. Wie wird die Vorbereitung der Festspiele als gesellschaftliches Ereignis inszeniert? Beschreibe Klughardts Resümee der Aufführungen in eigenen Worten und stelle positive und negative Kritik einander gegenüber. Welches Licht werfen Klughardts Beschreibungen auf die Aufführungspraxis der damaligen Zeit? Gibt es Unterschiede zu heute?

Thema 2

August Klughardts Schilflieder nach Gedichten von Nikolaus Lenau, im selben Jahr wie Lenore entstanden, sind nicht nur sein heute wohl am häufigsten aufgeführtes Werk, sondern stellen als rein instrumentale „Lieder“ mit in die Partitur hineingeschriebenem Text eine Besonderheit dar. Da die Partitur in der Petrucci Music Library zum Download zu Verfügung steht, wäre (auch fächerübergreifend mit dem Deutschunterricht) eine genauere Analyse des Wort-Ton-Verhältnisses durch die Schüler – besonders im Hinblick auf Lenaus Naturmetaphorik – aufschlussreich im Hinblick auf Klughardts Verständnis von instrumentaler „Programmmusik“, die sich ganz explizit an einem durchlaufenden Text orientiert.

Auch Robert Franz vertonte Lenaus Gedichte in seinen Schilfliedern op. 2 für Gesangsstimme und Klavier.

Ausschnitte aus beiden Werken finden sich auf der CD „Unerhörte Klänge aus Mitteldeutschland – Live-Mitschnitte aus 3 Musikfesten“, herausgegeben vom Verein Straße der Musik e. V.

Materialien zum Download

Arbeitsblätter (PDF):

Komponistenpersönlichkeiten in Sachsen-Anhalt (Schüler-Arbeitsblatt im Word-Format für Lehrer*innen auf dem Landesbildungsserver)

Textausdeutung in August Klughardts Vertonung der “Schilflieder” von Lenau (vorrangig für Sekundarstufe II; Lösungsblatt für Lehrer*innen sowie die Word-Datei des Schüler-Arbeitsblattes auf dem Landesbildungsserver)

SM 2017, letzte Aktualisierung Oktober 2019