Komponist*innen

Anna Amalia, Prinzessin von Preußen (1723–1787)

* 09. November 1723 in Berlin, † 30. März 1787 ebenda

Anna Amalia von Preußen (Gemälde von Antoine Pesne, vor 1757)

Biografie

Anna Amalia von Preußen wurde am 09. November 1723 in Berlin geboren. Als zwölftes Kind und sechste Tochter des Königs Friedrich Wilhelm I. von Preußen und seiner Frau Sophie Dorothea von Hannover trägt sie auch den Titel „Anna Amalia, Prinzessin von Preußen“. Sie betätigte sich als Musikerin und Komponistin, Konzertveranstalterin und Musikaliensammlerin und nahm als unverheiratete Adlige in späteren Jahren bis zu ihrem Tod am 30. März 1787 die Position der Äbtissin im Stift von Quedlinburg ein.

Anna Amalia von Preußen als Koadjutorin und Äbtissin von Quedlinburg

Im Jahr 1744 – also mit 21 Jahren – wurde die calvinistisch erzogene Anna Amalia zunächst zur Koadjutorin (Position zur Unterstützung der amtierenden Äbtissin) und elf Jahre später (1755) zur fürstlichen Äbtissin des protestantischen Stifts Quedlinburg ernannt. Zuvor war sie bereits als Kind, ebenso wie ihre Schwester Luise-Ulrike, Kanonissin (Stiftsdame ohne Ordensgelübde) einer gefürsteten Abtei. Indes ist ihre feierliche Inthronisation erst am 11. April 1756 in Quedlinburg belegt, nachdem sie mit Hofdamen, Hofmeisterin und Hofkavalier ihren eigenen Hof erhalten und in Berlin einige Feste gefeiert hatte.

Schloss und Stiftskirche in Quedlinburg,

 

Über die Gründe, warum sie diese Laufbahn einschlug, ist immer wieder spekuliert worden. Mehrere standesgemäße Heiratsangebote scheiterten wohl am Einspruch des Bruders Friedrich. Es ist nicht anzunehmen, dass sich die Prinzessin aus Glaubensgründen für ein tiefes geistliches Leben entschied. Vielmehr bedeutete das kirchliche Amt für sie als unverheiratete Adelige den Schritt in einen eigenen Haushalt und somit in finanzielle Unabhängigkeit, vergleichbar mit einer Heirat, und darüber hinaus eine Stärkung ihrer Position am preußischen Hof.

Musikhistorische Bedeutung

 Anna Amalia als Musikerin und Konzertveranstalterin

Anna Amalia war in ihrer Zeit eine anerkannte Musikerin und Komponistin und durchaus von Einfluss auf das Berliner Musikleben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Im Rahmen höfischer Feste war sie als Pianistin zu hören, die auch eigene Kompositionen vortrug, wenngleich ihre Bedeutung als Interpretin, verglichen mit ihren weiteren musikalischen Aktivitäten, eher geringer einzuschätzen ist. In ihrem Salon veranstaltete sie Abendmusiken und Konzerte, deren Schwerpunkt die alte Musik bildete. Diese erfreuten sich unter Komponisten, Musikern und Schriftstellern großen Zuspruchs und wurden auch von ausländischen Gästen, wie z. B. Gottfried van Swieten, besucht.

Allerdings stand die Prinzessin der damaligen modernen Musik und den zeitgenössischen Komponisten, wie beispielsweise Johann Abraham Peter Schulz, Johann Friedrich Reichardt, aber auch Christoph Willibald Gluck, eher ablehnend gegenüber. Sie blieb vorrangig dem damals schon inaktuellen Stile Johann Sebastian Bachs treu. Auf diese Weise waren ihre Kompositionen sowie die Inhalte der von ihr organisierten Abendmusiken eher retrospektiv geprägt, was auch Kritik hervorrief. Weil sie als charakterlich starke Frau galt, unterstützte sie viele Musiker, beispielsweise ihren Lehrer Johann Philipp Kirnberger, der auf Grund seiner konservativen musikalischen Positionen in seiner Zeit stark belächelt wurde. Ihm half sie bei der Fertigstellung und Verbreitung seiner theoretischen Schriften, darunter „Die Kunst des reinen Satzes in der Musik“. Ebenso ermunterte sie Carl Philipp Emanuel Bach zur Komposition einiger Orgelwerke und Kantaten und setzte sich auch für dessen älteren Bruder Wilhelm Friedemann in den Berliner Kreisen ein.

Johann Philipp Kirnberger (Radierung von Friedrich Wilhelm Bollinger, um 1800)

 

Ihr großes Interesse für die Kirchenmusik veranlasste die Prinzessin dazu, auch derlei Kompositionen in Auftrag zu geben. So schuf Karl Wilhelm Ramler auf ihre Veranlassung die Dichtung zur Passions-Kantate Der Tod Jesu (1754), die sie ursprünglich sogar selbst vertonen wollte, dann aber Carl Heinrich Graun überließ. Immerhin wurden die von ihr vertonten Eingangssätze 1776 und 1779 in Kirnbergers Kunst des reinen Satzes in der Musik abgedruckt.

Johann Philipp Kirnberger, Die Kunst des reinen Satzes in der Musik aus sicheren Grundsätzen hergeleitet und mit deutlichen Beyspielen erläutert, Berlin und Königsberg 1774 (Titelblatt mit Widmung „von Joh. Phil. Kirnberger, Ihrer Königl. Hoheit der Prinzessin Amalia von Preußen Hof-Musicus“)

 

Johann Philipp Kirnberger, Die Kunst des reinen Satzes in der Musik aus sicheren Grundsätzen hergeleitet und mit deutlichen Beyspielen erläutert, Zweyter Theil, Dritte Abtheiung, Berlin und Königsberg 1779, S. 75.

 

Die besondere Wertschätzung dieser als mustergültig bewerteten kontrapunktischen Kompositionsleistung geht aus einer Anmerkung Kirnbergers in seinem theoretischen Standardwerk hervor, welche einen Kommentar des Dresdner Kapellmeisters Naumann wiedergibt: „Hier erfolgt das vortreffliche Stück von der Arbeit Sr. Königl. Hoheit, es verdient daß es bekannt wird, indem es der Durchlauchtigsten Verfasserin Ehre macht, und manchen Componisten von Profession beschämt.“ (Kirnberger, Johann Philipp, Kunst des reinen Satzes, Berlin und Königsberg 1776-1779, Teil II, S. 75, zit. nach Debuch 2001, S. 100)

Die Hausorgeln der Prinzessin

Anna Amalia pflegte vorrangig den alten Stil der Musik. Somit ist es nicht verwunderlich, dass sie sich zu ihrer Zeit für eine eigene Orgel interessierte. Obgleich es Mitte des 18. Jahrhunderts nicht mehr üblich war, eine Hausorgel zu besitzen, da nun eher das häusliche Spiel am Cembalo oder auf dem Hammerklavier gepflegt wurde, begann die Prinzessin im Jahre 1755 dennoch mit der Erarbeitung eines Konzeptes für ein solches Instrument.

Die Musikaliensammlung

Von besonderer musikhistorischer Bedeutung erweist sich die überlieferte Musikaliensammlung von Anna Amalia mit zahlreichen wertvollen Autographen und Drucken. Diese bestand zum Zeitpunkt ihres Todes aus etwa 600 Bänden mit Handschriften und Drucken und 100 Theoretica, davon 270 Bände aus dem Nachlass Johann Philipp Kirnbergers, darunter zahlreiche Autographe von J. S. Bach, J. F. Fasch, Chr. Nichelmann, Chr. Schaffrath, Joh. Fr. Agricola, Fr. W. Marpurg u. a.

Werke

Im Alter von 20 Jahren begann Anna Amalia mit ersten Kompositionsversuchen und wurde erst 15 Jahre später (ab 1758) von ihrem Hofmusiker Kirnberger in Musiktheorie und Komposition unterrichtet. Unter dessen Einfluss verfertigte sie etliche kontrapunktische Studien und kleinere Kirchenstücke, die oftmals als Studien- und Kompositionsmuster dienten, nicht jedoch dem Anspruch nach Originalität nachkamen. Anna Amalia gilt mit ihren Kompositionen als Vertreterin des älteren Kompositionsstils, wie er beispielsweise von Johann Sebastian Bach oder Georg Friedrich Händel gepflegt wurde. Gleichzeitig verachtete sie die moderne Kompositionskunst, wie sie u. a. Carl Friedrich Zelter vertrat.

Unter ihren Werken findet man geistliche und weltliche Musik, darunter Kantaten, Choräle, Kammermusik, Militärmärsche, aber auch solistische Stücke für Orgel oder Klavier. Jedoch sind viele ihrer Kompositionen heute nicht mehr erhalten. Nachfolgend sind die zum heutigen Stand bekannten und noch erhaltenen Werke von ihr aufgelistet (nach Debuch 2001, S. 115–129).

A: geistliche Vokalwerke:

  • 9 Messchoräle auf Worte zur deutschen Messe
  • 10 vierstimmige Choräle
  • Eingangschor zur Kantate Der Tod Jesu: Sein Odem ist schwach
  • zwei weitere Choräle 3–4 stimmig; einer mit beziffertem Bass

Klangbeispiele

Sonate in F-Dur für Flöte und Basso Continuo von Anna Amalia von Preußen, Ensemble FIORI MUSICALI VIENNA, Angélica Castelló (Flöte), Marinka Brecelj (Cembalo), Jorge Daniel Valencia (Viola da gamba)

Jesu meine Freude (Variationen) von Anna Amalia von Preußen , Organist: Thorsten Pirkl

CD: Carl Philipp Emanuel Bach, Orgelsonaten Wq.70 Nr.2-6 , Ton Koopman an der Amalienorgel in Berlin (bei jpc, mit Klangbeispielen)

Literatur

Tobias Debuch, Anna Amalia von Preußen: (1723–1787). Prinzessin und Musikerin, Berlin 2001.

Anja Herold, Art. „Anna Amalia, Prinzessin von Preußen“, in: https://www.sophie-drinker-institut.de/anna-amalia-prinzessin-von-preussen.

Joachim Jaenecke, Art. „Anna Amalia, Prinzessin von Preußen“, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel, Stuttgart, New York 2016ff., zuerst veröffentlicht 1999, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/17866.

Johann Philipp Kirnberger: Die Kunst des reinen Satzes in der Musik, 1. Tl., Bln. 1771, ebd./Königsberg 1774, Bln. ca. 1776; 2. Tl., 1. bis 3. Abt., ebd./Königsberg 1776–1779 (Repr. Hdh. 1968); NA beider Tle., Wien 1793; engl. The Art of Strict Musical Composition, New Haven/Conn. und L. 1982.

Marc Serge Rivière; Andreas Hüther, „Anna Amalia (1723-1787): Das Leben einer preußischen Prinzessin als Mäzenin, Komponistin und Äbtissin in Quedlinburg“, in: Quedlinburger Annalen. Heimatkundliches Jahrbuch für Stadt und Region Quedlinburg 6 (2003), S. 46–56.

Peter Wollny, Art. „Kirnberger, Johann Philipp“, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel, Stuttgart, New York 2016ff., zuerst veröffentlicht 2003, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/28173.

Materialien zum Download

Arbeitsblätter (PDF):

Anna Amalia von Preußen (Schüler-Arbeitsblatt im Word-Format für Lehrer*innen auf dem Landesbildungsserver)

Komponistenpersönlichkeiten in Sachsen-Anhalt (Schüler-Arbeitsblatt im Word-Format für Lehrer*innen auf dem Landesbildungsserver)

Elieser Kauschke / CK 2020

Der Beitrag entstand im Rahmen eines Seminars im Sommersemester 2020 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.