Komponist*innen

Agricola, Martin (1486–1556)

* 06. Januar 1486 in Schwiebus, † 10. Juni 1556 in Magdeburg

Biografie

Martin Sore, der sich erst später Agricola nannte, wurde mutmaßlich am 6. Januar 1486 als Sohn eines reichen Bauern im ostbrandenburgischen Schwiebus, heute Polen, geboren. Sein Lebenslauf ist nur lückenhaft belegt. Von 1519/20 an hielt er sich in Magdeburg auf, wo er als Kantor, Musiktheoretiker und Komponist bis zu seinem Tod am 10. Juni 1556 tätig war.

Musikhistorische Bedeutung

Martin Agricola war nach eigenen Angaben musikalischer Autodidakt („selbstwachsen musicus“). Seine Verdienste liegen in erster Linie auf dem Gebiet der Musikpädagogik. Musikhistorisch bedeutsamer als seine Kompositionen sind seine zahlreichen musiktheoretischen Schriften, allen voran die drei frühen Abhandlungen in deutscher Sprache.

Ein kurtz Deudsche Musica von 1528 gilt als erstes gedrucktes deutschsprachiges Musik-Schulbuch und wurde 1533 in Neuauflage unter dem Titel Musica Choralis Deudsch publiziert. Es vermittelt Grundbegriffe der Solmisation, Intervall- und Tonartenlehre.

Titelblatt von “Ein kurtz Deudsche Musica. …” (1528)

 

1529 erschien Agricolas Musica instrumentalis deudsch, eine Instrumentenkunde in Versform mit zahlreichen Abbildungen. Diese gilt als eine der wichtigsten Quellen für die instrumentale Musikpraxis des 16. Jahrhunderts und die Entwicklung der Instrumentalmusik allgemein.

 

Musica_instrumentalis_hoch
Abbildung aus: Martin Agricola, Musica instrume[n]talis deudsch abzusetzen ynn welcher begriffen ist / wie man nach dem gesange auff mancherley Pfeiffen lernen sol / Auch wie auff die Orgel / Harffen / Lauten / Geigen / vnd allerley Instrument vnd Seytenspiel / nach der recht/gegründten Tabelthur sey abzusetzen, Wittemberg 1529

 

Die Musica Figuralis Deudsch folgte 1532 und gibt eine Einführung in die Mensuralnotation und damit verbunden die polyphone Chorpraxis der Zeit. Agricolas Verwendung der deutschen Sprache ist dem Vorbild der Bibelübersetzung Martin Luthers geschuldet, dem sich Agricola eng verbunden fühlte. Seine deutschen Übersetzungen musikalischer Fachausdrücke sind zum Teil heute noch gebräuchlich. Durch die Bevorzugung des Lateinischen an den protestantischen Schulen verfasste Agricola seine späteren Schriften auf Latein.

Titelblatt von “Musica Figuralis Deudsch”, Wittemberg 1532

Werke

Unter den Kompositionen Agricolas, die der Nachwelt überliefert sind, werden zahlreiche Hymnenkompositionen, vokale und instrumentale Kirchenliedbearbeitungen, Motetten und andere Werkgattungen genannt. Unterschieden werden Einzeldrucke, handschriftliche Manuskripte, Werke in Sammeldrucken, zugeschriebene Kompositionen sowie zahlreiche Musikbeispiele, die sich in Traktaten finden. Besondere Beachtung finden die Motetten, die innerhalb der Melodiae scholasticae, einer Lehrbuchausgabe mit von Agricola vertonten Texten, überliefert sind, da diese zum Teil in Bezug stehen zu den religiösen Auseinandersetzungen der Zeit.  Agricolas Hymnenvertonungen standen in direktem Zusammenhang mit dem Unterricht an der Lateinschule und fanden weite Verbreitung. Von Martin Agricola existiert auch eine Chorfassung von Luthers Ein feste Burg.

Zu den musiktheoretischen Schriften, die Agricola vor allem für seine Magdeburger Schüler verfasste und drucken ließ, zählen die bereits genannten deutschsprachigen Publikationen, die in verschiedenen Auflagen erschienen sind. Die Schriften der Folgejahre sind vor allem in Latein verfasst, darunter
u. a. Rudimenta musices, Wittenberg 1539 und Quaestiones vulgatiores in musicam, Magdeburg 1543.

Klangbeispiele

Ein feste Burg ist unser Gott (Neuer Magdeburger Kammerchor, Christian Hoffmann)

CD-Hinweis:

Die Himmel erzählen die Ehre Gottes (Vokalmusik des 16. Jahrhunderts aus Magdeburg, Neuer Magdeburger Kammerchor, mit Klangbeispielen von Martin Agricola, Gallus Dressler, Joachim a Burck, Friedrich Weißensee)

Noten zum Download

“Ein feste Burg” im Satz von Martin Agricola

 

Luthers “Ein feste Burg” im Satz von Martin Agricola

Literatur

Armin Brinzing, Art. „Agricola, Sore, Shor, Martin, Martinus“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 2. neubearb. Ausgabe, hrsg. von Ludwig Finscher, Personenteil, Bd. 1, Kassel u. a. 1999, Sp. 221–225.

Armin Brinzing, „Martin Agricola als Schulmann und Komponist“, in: Musikgeschichte im Zeichen der Reformation. Magdeburg – ein kulturelles Zentrum in der mitteldeutschen Musiklandschaft (= Jahrbuch Ständige Konferenz Mitteldeutsche Barockmusik in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen e. V.), Beeskow 2005, S. 171–188.

Georg von Dadelsen, Art. „Agricola, Martin“, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 1, Berlin 1953, S. 102-103, Online-Version: http://daten.digitale-sammlungen.de/0001/bsb00016233/images/index.html?seite=120f (abgerufen am 19.09.2016).

Heinz Funk, Martin Agricola. Ein frühprotestantischer Schulmusiker, Wolfenbüttel 1933.

Christine Klein, „ ‚der iugent […] eine anleytung vnd vnterricht zu geben‘ (1528). Die neuen Musiklehrbücher von Martin Agricola (1486–1556) und ihre Bedeutung für den Musikunterricht”, in: Musik und Bildung in der Reformationszeit (= Beiträge zur Regional- und Landeskultur Sachsen-Anhalts, H. 64), hrsg. von Kathrin Eberl-Ruf, Carsten Lange und Kathrin Pöge-Alder, Halle (Saale) 2017, S. 32–53.

Links

“Ein kurtz Deudsche Musica. …” (1528) (Bayerische StaatsBibliothek)

Musica instrumentalis deudsch, 1529 (verschiedene Ausgaben in der Petrucci Music Library)

Musica Figuralis Deudsch, 1532 (Petrucci Music Library)

Anregungen für den Unterricht

Martin Agricola schrieb zu seiner Zeit die ersten Musik-Schulbücher (s. Links). Wie unterschieden sich diese von heutigen Schulbüchern?

Analyse des Notenblattes der ersten Strophe von Ein feste Burg im Satz von Martin Agricola: In welcher Stimme liegt die Liedmelodie, der Cantus firmus? Welche Notenschlüssel werden in den einzelnen Stimmen verwendet und wie sind diese zu lesen?

Materialien zum Download

Arbeitsblatt (PDF):

Komponistenpersönlichkeiten in Sachsen-Anhalt (Schüler-Arbeitsblatt im Word-Format für Lehrer*innen auf dem Landesbildungsserver)

SM/CK 2017